«Bestätigen, dass wir weltweit eine führende Rolle spielen»

15.12.2023 Fast zehn Jahren lang dozierte Agraringenieur Martin Pidoux an der BFH-HAFL Agrarpolitik und -märkte. Nun führt ihn sein Weg von der Wissenschaft in die Wirtschaft. Ein Rückblick auf spannende Zeiten.

Martin Pidoux
«Für die Agrarmärkte waren die vergangenen zehn bis fünfzehn Jahre turbulent», sagt BFH-HAFL-Dozent Martin Pidoux.

Herr Pidoux, Sie unterrichten seit fast zehn Jahren Agrarpolitik und -märkte. Hat sich Ihre Sicht auf die Landwirtschaft in dieser Zeit verändert?

Martin Pidoux: Natürlich! Als ich an der BFH-HAFL anfing zu arbeiten, war ich bezüglich der Zukunft der Landwirtschaft optimistisch. Heute nach fast zehn Jahren Austausch mit Studierenden bin ich sogar sehr optimistisch.

In der Landwirtschaft hat sich vieles gewandelt: Was waren die wichtigsten Entwicklungen in der Agrarpolitik und auf den Agrarmärkten in den letzten Jahren?

Für die Agrarmärkte waren die vergangenen zehn bis fünfzehn Jahre turbulent. Arabischer Frühling, weltweite Nahrungsmittelkrise, Aufhebung des Mindestkurses, starke Abwertung des Euro gegenüber dem Schweizer Franken, Brexit, Coronakrise, Krieg in der Ukraine – um nur einige geopolitische Ereignisse zu nennen, die die Agrarmärkte stark beeinflusst haben.

Politisch stelle ich jedoch – anders als erwartet – eine gewisse Stabilität fest. Es wurde zwar viel diskutiert, etwa über die Pestizid- oder die Massentierhaltungs-Initiative, den Veganismus oder Food Waste. Dennoch hat sich seit der Einführung der Agrarpolitik 2014-2017 nichts Wesentliches geändert. Das beunruhigt mich etwas. Ich habe den Eindruck, dass es in der Agrar- und Lebensmittelpolitik an Visionen mangelt. Das erschwert die Umsetzung notwendiger Reformen. 

Wo und wie positioniert sich die Schweizer Landwirtschaft in diesem Wandel? Was sind die Chancen und Risiken?

Es besteht die Gefahr, dass die Schweizer Landwirtschaft international den Anschluss verliert. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sollte die Schweiz sicherstellen, dass der Preisunterschied zwischen schweizerischen und europäischen Lebensmitteln nicht weiter zunimmt. Und im Bereich Nachhaltigkeit müssen wir bestätigen, dass wir weiterhin weltweit eine führende Rolle spielen.

Wie kann eine Fachhochschule wie die BFH-HAFL einen positiven Beitrag zu diesem Wandel leisten?

Indem sie ihr Kerngeschäft ausbaut. Das heisst: Agronominnen und Agronomen so auszubilden, dass sie in der Lage sind, die globalen Herausforderungen zu verstehen und pragmatische Lösungen umzusetzen.

Wie haben all die Veränderungen Ihren Unterricht beeinflusst?

Ein Modul über Agrarpolitik und -märkte sollte nicht allein von sich verändernden Rahmenbedingungen abhängen. In erster Linie müssen die Studierenden solide theoretische Grundlagen lernen, um diese Veränderungen zu analysieren und zu verstehen. Das ist der Mehrwert des Studiums. Gut ausgebildete Fachleute lassen sich nicht einfach von den Strömungen und Trends treiben wie leere Nussschalen. Sie können einen Schritt zurücktreten, analysieren, verstehen und dann handeln.

Gut ausgebildete Fachleute können einen Schritt zurücktreten, analysieren, verstehen und dann handeln.

Martin Pidoux Dozent Agrarpolitk und -märkte

Welche Rolle hat die Forschung in Ihrer Lehrtätigkeit gespielt?

Die Grundlagenforschung ist nicht das Gebiet, das mich am meisten interessiert. Ich habe immer die angewandten Forschungs- oder Dienstleistungsprojekte geschätzt, die ich mit verschiedenen Partnern durchführen konnte. Diese Projekte haben mich intellektuell bereichert, mich dazu gebracht, mich selbst zu hinterfragen und mich weiterzuentwickeln. Ich sehe in dieser angewandten Forschung auch Synergien mit der Lehre.

Haben sich im Laufe der Jahre auch die Studierenden geändert?

Insgesamt habe ich festgestellt, dass die Studierenden sehr sensibel für Nachhaltigkeitsthemen sind. Sie versuchen, sich nachhaltig zu verhalten und sind bereit, einige ihrer Gewohnheiten zu ändern. Das inspiriert und ermutigt mich.

Was werden Sie von Ihren Jahren an der BFH-HAFL mitnehmen?

Die Agrarwissenschaft ist zweifellos die Wissenschaft der nachhaltigen Entwicklung. Wir brauchen mehr Menschen, die sich dafür interessieren. Wir alle müssen unermüdlich dafür einstehen. In Erinnerung bleiben mir sicher der Enthusiasmus an der BFH-HAFL als unerschöpfliche Energiequelle. Auch die Erfahrung, dass Intelligenz kollektiv ist und Kritik uns weiterbringt, wenn wir genügend Selbstvertrauen haben. Ebenfalls wichtig: Humor und Selbstironie müssen nicht mit Bedacht genossen werden!

Wohin führt Sie Ihre neue berufliche Laufbahn?

Ab dem 1. Januar werde ich Leiter von Prométerre; der Waadtländer Vereinigung zur Förderung der landwirtschaftlichen Berufe. Prométerre vereint alle Fachleute im Kanton, darunter Landwirte, Landwirtinnen und Branchenorganisationen. Die Organisation setzt sich für eine Landwirtschaft ein, die ihre Ernährungsfunktion erfüllen kann. Zudem fördert sie Interessen und Arbeit in der Landwirtschaft, bietet speziell auf die Bedürfnisse der Branche zugeschnittene Dienstleistungen an und entwickelt diese weiter.

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Autorin

Fachgebiet: Agronomie + Wald