Wie viel Suffizienz trägt die Schweizer Bevölkerung mit?

15.12.2022 Suffizienz als eine von drei Nachhaltigkeitsstrategien ist im öffentlichen Diskurs bisher unterrepräsentiert. Dabei ist klar: Eine suffizientere Gesellschaft könnte viel dazu beitragen, dass wir unsere Nachhaltigkeitsziele erreichen. Ein Forschungsteam der Berner Fachhochschule BFH untersucht deshalb, wo Massnahmen zur Förderung von Suffizienz besonders wirksam wären, ob sie von der Schweizer Bevölkerung mitgetragen würden, und schafft damit wissenschaftliche Grundlagen in einem noch wenig erforschten Bereich.

Das Projekt «Suffizienz und Politik» geht unter anderem der Frage nach, wie es um die politischen Realisierungschancen von Suffizienzmassnahmen steht.
Das Projekt «Suffizienz und Politik» geht unter anderem der Frage nach, wie es um die politischen Realisierungschancen von Suffizienzmassnahmen steht. Bild: Myriam Wasmuth

«Politiker*innen in der Schweiz sprechen nur ungern von Verzicht», sagt Flurina Wäspi, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Public Sector Transformation (IPST) und Leiterin des Forschungsprojekts «Suffizienz und Politik». Durch die aktuellen Krisen erhalte das Thema Suffizienz zwar auch im politischen Diskurs mehr Aufmerksamkeit, gleichzeitig falle aber auf, Begriffe wie «sparen» oder «reduzieren» werden vermieden, lieber werden Formulierungen wie «nicht verschwenden» ins Feld geführt.

Ablehnung wird antizipiert, Datengrundlage fehlt

«In der Schweiz herrscht bisher die Annahme vor, dass Massnahmen mit Verzichtscharakter, welche auf eine Verhaltensänderung abzielen oder Mehrkosten beinhalten, von der Bevölkerung abgelehnt werden», sagt Wäspi. Empirische Daten, ob das wirklich so ist, fehlen allerdings. Das Projekt «Suffizienz und Politik», welches von der Stiftung Mercator Schweiz unterstützt wird, will das ändern und geht unter anderem der Frage nach, wie es um die politischen Realisierungschancen von Suffizienzmassnahmen steht.

Es geht um die Breitenwirkung

«Wir erhoffen uns, mit dieser Forschungsarbeit eine Diskussion zum Thema Suffizienz anzuregen, die über das individuelle Verhalten hinausgeht», sagt Flurina Wäspi. Die meisten Forschungsprojekte zum Thema Suffizienz zielten auf die Frage ab, was jede*r Einzelne tun kann.

Dabei habe man immer wieder festgestellt, dass es für einige Menschen schwierig ist, sich in einem nicht-nachhaltigen System nachhaltig zu verhalten. Das Projekt «Suffizienz und Politik» ziele deshalb auf eine übergeordnete Ebene ab. «Wir wollen einen Beitrag zum Wissen über politische Machbarkeiten leisten», sagt die Projektleiterin. «Es geht uns um die Erforschung struktureller Massnahmen und eine entsprechende Breitenwirkung.»

Bevölkerung von Anfang an im Boot

«Aktuell erarbeiten wir einen Katalog mit möglichen Suffizienzmassnahmen», erklärt Flurina Wäspi. «Wir suchen hierfür das Gespräch mit Expert*innen und beziehen über die Plattform Suffizienz & Politik (smartvote.ch) auch die Bevölkerung mit ein.» Erste Ergebnisse zeigten bereits, dass es strukturierende Massnahmen braucht, sagt sie. «Die befragten Expert*innen betonten dabei insbesondere die Bereiche Mobilität und Wohnen. Also Massnahmen, die den öffentlichen Verkehr anstelle des motorisierten Individualverkehrs fördern oder den steigenden Flächenverbrauch sowie die Zersiedelung eingrenzen.» Im Frühjahr 2023 folgen qualitative und quantitative Umfragen, welche die Zustimmung der Bevölkerung zu solchen Massnahmen erfassen. Rechtzeitig vor den Nationalratswahlen im nächsten Jahr werden die Daten schliesslich ausgewertet, publiziert und nach Möglichkeit in den politischen Prozess hineingetragen.

Flurina Wäspi ist seit 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Public Sector Transformation (IPST) der BFH. Sie forscht und unterrichtet zu Themen wie Digitalisierung im öffentlichen Sektor, Smart City, Digitale Demokratie sowie zur Schnittstelle zwischen Umwelt und Digitalisierung. Vor ihrer Zeit an der BFH hat Flurina Wäspi an der Universität Bern Politikwissenschaft und internationales Recht studiert. Sie war ausserdem für die Delegation der Europäischen Union in der Schweiz sowie für die Schweizerische Stiftung für Konsumentenschutz tätig.

Suffizienz: Eine von drei Nachhaltigkeitsstrategien

Was der Begriff Suffizienz genau bedeutet und weitere spannende Informationen zum Thema, erfahren Sie in den folgenden Beiträgen:

Reden Sie mit!

Haben auch Sie Ideen und Vorschläge, welche politischen Massnahmen zur Förderung der Suffizienz umgesetzt werden sollten? Teilen Sie Ihre Gedanken via Suffizienz & Politik (smartvote.ch) mit dem Forschungsteam.