Sprechkunst

Das Forschungsprojekt bewegt sich im Umfeld des postdramatischen Theaters und untersucht die Entstehung unterschiedlicher Sprechweisen innerhalb von Inszenierungsprozessen im zeitgenössischen deutschsprachigen Theater.

Steckbrief

Ausgangslage

Der Umgang mit gesprochener Sprache hat sich auf der Bühne des zeitgenössischen Theaters grundlegend verändert. Texte werden chorisch gesprochen, simultan oder monologisch statt dialogisch gestaltet und sind nicht mehr unbedingt in die Repräsentation von Handlungen und schauspielerische Vorgänge auf der Bühne eingebunden. Die Sprache wird als gesprochene Sprache, als Stimmklang, als Rhythmus, als Melodie wahrnehmbar gemacht – und dies sowohl in Inszenierungen postdramatischer Theatertexte, die Kategorien wie Figur, Dialog, Handlung, Raum- und Zeitgestaltung auflösen und folglich einen veränderten Umgang der Schauspieler mit dem Text erfordern, als auch in Inszenierungen klassischer Dramen. Auf der Grundlage dieser Beobachtungen untersucht das Forschungsprojekt Ansätze der Textarbeit, die nicht primär einer Figurenpsychologie oder Semiotik folgen, sondern Ansätze, die als phänomenologisch begriffen und beschrieben werden können.

Vorgehen

Den Untersuchungsgegenstand bilden fünf Probenprozesse ausgewählter Regisseure. Die Auswahl folgt einerseits der Annahme, dass die jeweiligen Regisseure sich im Feld neuer Darstellungs- und Sprechformen bewegen, andererseits wird für jeden Inszenierungsprozess der Fokus der Untersuchung auf eine ganz spezifische Thematik gelegt. Erkenntnisse über den veränderten Umgang mit Texten im zeitgenössischen Theater sowie über die Entstehung von Sprechweisen werden durch die teilnehmende Beobachtung dieser Probenprozesse, durch auditiv-phonetische Analysen sowie durch die Befragung der Regisseure und Schauspieler/innen innerhalb von Interviews gewonnen.

Ergebnisse

Das Forschungsprojekt bewegt sich interdisziplinär zwischen Literaturwissenschaft, Sprechwissenschaft, Theaterwissenschaft und Theaterpraxis. Es orientiert sich an der bestehenden Theaterrealität und setzt die Anforderungen, die an Schauspieler/innen im Umgang mit gesprochener Sprache auf der Bühne des zeitgenössischen deutschsprachigen Theaters gestellt werden, in Bezug zur Schauspielausbildung. Die Ergebnisse des Projektes fliessen direkt in die Lehre und Ausbildung von Schauspiel- und Regiestudierenden sowie Studierenden der Sprechwissenschaft als zukünftige Sprechbildner/innen an Schauspielschulen und Theatern und damit in die Theaterpraxis ein. Die Erweiterung bestehender Lehrinhalte wird somit möglich. Das Projekt nimmt eine performative Perspektive ein, indem es nicht mehr allein Strukturen und Werke fokussiert, sondern Ereignisse sowie Prozesse der Produktion und Rezeption. Es leistet hierdurch einen wesentlichen Beitrag zum sich neu konstituierenden Forschungsfeld der Probenforschung.