Biodiversität im Betondschungel: BFH-Lehrkonzept zeigt neue Wege auf

21.06.2023 Mehr Biodiversität im urbanen Raum. Das ist das Ziel des BFH-Teams hinter «Campus4Biodiversity». Mit dem neuartigen Lehrkonzept will ein Team der BFH-AHB das Thema Biodiversität in den Köpfen angehender Baufachleute verankern. So soll das städtische Mikroklima nachhaltig verbessert und dem Artensterben entgegengewirkt werden.

Im Gespräch gibt uns die Projektleiterin von «Campus4Biodiversity», Barbora Starovicova (BS), einen Überblick über das Projekt, das in den stetig wachsenden Siedlungsräumen der Schweiz mehr Biodiversität schaffen will.

Welcher Herausforderung nimmt sich das Lehrkonzept Campus4Biodiversity an?

BS: Eine Lösung für das Artensterben in der Schweiz und die schwindende Biodiversität muss in den Köpfen der Menschen beginnen, die diese besonders stark betroffenen Räume massgeblich gestalten. Dem Lehrkonzept geht es darum, die Akteur*innen in der Baubranche (z. B. Bau- und Holzbauingenieur*innen, Architekt*innen und Raumplaner*innen) für das Thema zu sensibilisieren. Als Fachhochschule versuchen wir aber natürlich, nicht nur Bauspezialist*innen ein Problembewusstsein mit auf den Weg zu geben, sondern vermitteln auch ganz konkret und praktisch, wie sie im urbanen Umfeld einen Beitrag zur Biodiversität und zur Regeneration von Ökosystemen leisten können.

Wodurch unterscheidet sich das Lehrkonzept?

BS: Entscheidend für Studierende ist, dass wir überkommene Vorstellungen der Wissensvermittlung hinter uns lassen. Es geht nicht mehr ums Auswendiglernen, sondern immer stärker darum zu wissen, wo und wie gesucht wird, wie Informationen zu bewerten und zu vernetzen sind. Aber auch Soft Skills wie Sozialkompetenz, Kreativität oder Kommunikation werden stärker betont – ganz im Sinn von «Bildung für nachhaltige Entwicklung». Erst mit diesen Kompetenzen können Bauspezialist*innen als Brückenbauer*innen für mehr Biodiversität wirken.

Welche Rolle spielen die interdisziplinären Semesterarbeiten im Rahmen des Lehrkonzepts?

BS: Die Semesterarbeiten in Form einer Fallstudie sind zentral. Hier erleben Studierende direkt vor Ort und durch Begegnungen mit Menschen aus dem Quartier ganz praktisch, wo die Probleme liegen. Wir haben den Campus4Biodiversity-Ansatz mit Studierenden in vier Semestern und Fallstudien erprobt. An der BFH-AHB ging es um Littering und  in Anlehnung an die Aktion «Mission B» um die Mission AHB, beim Gymnasium Seeland in Biel wird campus4biodiversity getestet und im Berner Breitenrain entsteht ein Modellquartier. Das transdisziplinäre Vorgehen erlaubt es Studierenden, potenzielle Probleme wie Hitzeinseln im urbanen Raum bereits in der Planungsphase zu entkräften.

Welchen Nutzen bieten diese Fallstudien der Gesellschaft?

BS: Auf der einen Seite sensibilisieren Fallstudien die Student*innen auf das Thema Biodiversität, weil sie hier mit der Realität konfrontiert werden und die Dringlichkeit des Themas am eigenen Leib erfahren. Diese Erfahrung kann frustrierend sein. Deshalb braucht es eine Phase, in der die Studierenden durch das Peer Coaching, Inputs und im Selbststudium über die Problematik reflektieren können und entdecken, dass wir viele Möglichkeiten haben, dem traurigen Zustand der Biodiversität in den Städten entgegenzuwirken.

Die zweite Seite ist die künftige Umsetzung der Konzepte in Zusammenarbeit mit den Akteur*innen aus den Quartieren als eine Dienstleistung an der Gesellschaft. Mittelfristig erwarten wir, dass transdisziplinär geschulte Bauingenieur*innen zur Steigerung der Biodiversität im urbanen Raum beitragen. Und mehr Biodiversität bedeutet auch Temperaturregulierung im Sommer, Wasserkreislaufförderung und Luftqualitätssicherung, welche für unser Wohlbefinden essenziell sind.

Wie wollen die Projektverantwortlichen die Wirkung des Lehrkonzepts weiter verstärken?

BS: Uns ist bewusst, dass der Impact eines Lehrkonzepts auf unsere Umwelt nur klein ist, wenn es nach Fertigstellung schubladisiert wird oder nur an der BFH umgesetzt wird. Wir haben deshalb von Anfang an auch an die interne und externe Skalierung, also an die Verbreitung des Lehrkonzepts gedacht und stellen dieses interessierten Personen und Organisationen kostenfrei zur Verfügung.

Mit diesem Open Source-Ansatz hoffen wir, dass Campus4Biodiversity bald auch ausserhalb der BFH zum Einsatz kommen wird und wir dadurch einen wertvollen Beitrag zur Biodiversität in Schweizer Städten leisten können.

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