Messinstrument Mensch

16.01.2024 Im Sensoriklabor der BFH-HAFL werden Lebensmittel getestet: Wie schmecken die Produkte? Worin unterscheiden sie sich? Und: Geschulte Testpersonen werden auf ihre «Messgenauigkeit» überprüft. Ein Check im Labor.

Dieser Text erschien im focusHAFL, Ausgabe 2/2023.
 

Laborleiterin Saskia Mantovani reicht die Apfelmus-Proben durch ein Türchen zur Testperson.
«Grundsätzlich kann jede Person Mitglied unseres Fachpanels werden. Wichtig dabei ist, dass man über eine differenzierte Wahrnehmung verfügt», sagt Saskia Mantovani.


Saskia Mantovani öffnet ein graues Türchen und reicht ein Tablett mit kleinen, codierten Gläschen hindurch. Doris Berner, die in einer der elf Prüfkabinen des BFH-HAFL-Sensoriklabors Platz genommen hat, nimmt das Tablett entgegen. Sie kostet den Inhalt der Gläschen und bewertet die Proben mit Hilfe ihrer Sinnesorgane. Ihre Eindrücke hält sie in einer Software fest. Doris Berner ist Mitglied des Fachpanels der BFH-HAFL, zu dem aktuell 15 Personen zählen, die beruflich nicht aus dem Bereich der Lebensmittelwissenschaften kommen, aber eigens für solche Produktetests geschult und trainiert worden sind. «Grundsätzlich kann jede Person Mitglied unseres Fachpanels werden. Wichtig dabei ist, dass man über eine differenzierte Wahrnehmung verfügt», sagt Saskia Mantovani, Leiterin und Ausbilderin des BFH-HAFL-Fachpanels. Und: Die Personen sollten möglichst wenig Vorwissen über die zu testenden Produkte mitbringen.

Die Messgenauigkeit sensorischer Test

Ein Fachpanel ist eine speziell für die Beurteilung von Produkten geschulte Personengruppe. Bei den objektiven Tests, die im Sensoriklabor durchgeführt werden, steht die Bewertung von Produkteigenschaften im Vordergrund. Das heisst: Die persönliche Meinung der Teilnehmenden ist nicht gefragt. Damit die Ergebnisse aussagekräftig sind, wird das Fachpanel regelmässig auf seine «Messgenauigkeit» geprüft. Heute, beim Rundgang durchs Labor, findet gerade ein solcher Leistungstest – auch Panel Performance – statt. Es werden unter anderem Apfelmus-, Quark- und Schokoladenmilch-Proben getestet, die bewusst manipuliert wurden. «Zum Beispiel verabreichen wir den Produkten unterschiedliche Zucker- oder Salzkonzentrationen. Die Prüfpersonen haben dann die Aufgabe, feine Unterschiede zu erkennen und korrekt einzuordnen» führt Saskia Mantovani aus. Ziel dieser regelmässigen Überprüfung: ein stabiles Panel, das als zuverlässiges «Messinstrument» für die Lebensmittelsensorik eingesetzt werden kann. Heisst konkret: Die Panelmitglieder sind in der Lage, die mit den menschlichen Sinnesorganen wahrnehmbaren Eigenschaften eines Produktes zu beschreiben, zu messen und zu interpretieren. 

Regelmässige Überprüfung der Sinne

Neben der genetischen Veranlagung und Lebensgewohnheiten der Person gibt es viele Faktoren, welche die sensorische Wahrnehmung beeinflussen können – so etwa die Tages- oder Jahreszeit sowie Licht und Raumtemperatur. «Da die Wahrnehmung eines Produktes auch stark visuell ist, können wir in den Prüfkabinen Rot- oder Grünlicht einschalten», sagt Saskia Mantovani. So wird die Farbe des Produktes verfälscht und optische Unterschiede können maskiert werden. «Unter Rotlicht sieht jede Schokolade praktisch gleich aus und die Testperson kann sich viel besser auf den Geschmack und die Textur konzentrieren», sagt die junge Lebensmittelwissenschaftlerin. 

Die heutige Prüfung ist Teil eines Ringversuchs (siehe Box) der BFH-HAFL in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Agroscope, Migros Industrie sowie der Wander AG. Alle haben eigene Fachpanels, für welche vier Mal im Jahr dieselben Testreihen durchgeführt werden. Mantovani: «Dadurch sind panelübergreifende Vergleiche möglich und die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie wird gestärkt.»
 

Kartoffeln standen beim Konsumentenpanel auf dem Verkostungsplan.
Kartoffeln standen beim Konsumentenpanel auf dem Verkostungsplan.

Sensorik vom Feld bis auf den Teller

Ob bei der Beurteilung von Rohstoffen oder der Marktfähigkeit von Endprodukten – entlang der gesamten Wertschöpfungskette kommt die Sensorik zum Einsatz und erfüllt dabei verschiedene Aufgaben. Als nächstes steht eine sensorische Analyse mit Kartoffeln aus Sortenversuchen eines Forschungsprojekts der Agronomie an. Verkostet werden gedämpfte, ungewürzte «Gschwellti» und im Geschmack und der Konsistenz beurteilt. Das Ziel: Die kultivierten, Krautfäule-resistenten Sorten sensorisch zu charakterisieren, um mögliche Qualitätsmerkmale gegenüber herkömmlichen Sorten herauszuarbeiten. Dazu werden gleich grosse Kartoffeln bei gleicher Temperatur gleich lange gekocht. Vom Fachpanel werden die Kartoffelproben blind verkostet, also ohne jegliches Wissen über die Sorte, Herkunft oder Anbaumethode. 

Das Gegenstück zum Fachpanel ist das Konsumentenpanel. «Dieses ist mit rund 600 Personen um einiges grösser als das Fachpanel. Seinen Mitgliedern ist es möglich über Degustationen und Diskussionen bei der Weiterentwicklung von Produkten mitzuwirken», so Mantovani. Und so vielleicht mitzuentscheiden, wie das Lebensmittel künftig auf den Teller kommt.

Sensorischer Ringversuch: Was ist das?

Ein Ringversuch (auch Ringvergleich oder Laborleistungstest genannt) wird zur externen Qualitätssicherung von Messverfahren oder Prüflabors eingesetzt. In unterschiedlichen Labors werden identische Proben mit identischen Verfahren oder mit unterschiedlichen Verfahren untersucht. Ein Vergleich der Resultate verschiedener Institutionen erlaubt es, Aussagen über die Messgenauigkeit bzw. die Messqualität des eingesetzten Panels zu machen.

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Fachgebiet: Life Sciences + Lebensmittelwissenschaften