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Eine Meistersängerin verstummt

08.08.2025 Die Feldlerche, einst allgegenwärtig auf unseren Wiesen und Feldern, verschwindet. Als Bodenbrüterin machen ihr moderne landwirtschaftliche Praktiken das Leben schwer. Doch es gibt Hoffnung: Mit gezieltem Schutz könnte ihr Bestand stabilisiert werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Feldlerche steht in der Schweiz auf der Roten Liste und leidet unter der intensiven Landwirtschaft – vor allem durch fehlende Brutplätze, frühe Mahd und dichte Kulturen.

  • Forschungsprojekte mit Weitsaat im Winterweizen und Untersaat im Mais zeigen: Der Bruterfolg lässt sich steigern, Nützlinge profitieren – und die Erträge sinken dabei kaum.

  • Teilflächige Massnahmen werten Agrarflächen ökologisch auf und schaffen wichtige Trittsteine – «wenn wir jetzt nicht handeln, wird die Feldlerche in vielen Gebieten vollständig verschwinden».

Der Gesang der Feldlerche ist legendär – und spielt sogar bei William Shakespeares «Romeo und Julia» eine zentrale Rolle. Denn das ausdauernde Trillern, Rollen und Flöten der Feldlerche im Flug, ist einer der ersten Vogelstimmen am frühen Morgen. Und zeigte einst dem berühmten heimlichen Liebespaar an, dass es Zeit wird, sich zu trennen. Noch vor wenigen Jahrzehnten galt die Feldlerche als häufiger Vogel in den Schweizer Agrarlandschaften. Mittlerweile findet man die Feldlerche auf der Roten Liste, wo sie kürzlich auf den Status «verletzlich» hinaufgestuft worden ist.

Aktuell gibt es gemäss Schweizerischer Vogelwarte in der Schweiz noch etwa 25'000 bis 35'000 Brutpaare – mit stark rückläufiger Tendenz. Zum Vergleich: Der Brutpaarbestand des häufigen Buchfinks wird auf 900‘000 bis 1,1 Millionen geschätzt. Der Rückgang der Feldlerche in der Schweiz wird hauptsächlich durch die Intensivierung der Landwirtschaft verursacht. Dichter wachsende Kulturen, häufigere Mahd sowie der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln reduzieren Brutplätze und Nahrungsangebot. Der Verlust von Brachflächen, Feldrändern und offenen Landschaften verschärft das Problem zusätzlich.

Das Trillern und Flöten der Feldlerche ist immer seltener zu hören. (Bild: Markus Jenny)
Das Trillern und Flöten der Feldlerche ist immer seltener zu hören. (Bild: Markus Jenny)

Bodenbrüten als Herausforderung

«Die Feldlerche brütet am Boden und benötigt niedrige, lückige Vegetation als Brutplatz und zur Nahrungssuche. In intensiv genutzten, fragmentierten Agrarlandschaften gibt es kaum noch geeignete Habitate», sagt Bernhard Streit, Professor für Verfahrenstechnik im Pflanzenbau an der BFH-HAFL. Um zu brüten, macht die Feldlerche kleine Mulden, die sie mit Halmen auskleidet.

«Aufgrund der grossen Bedrohung durch Raubtiere bleiben die Jungvögel nur etwa acht Tage im Nest, verteilen sich dann im Feld und können bereits acht Tage später fliegen», sagt Judith Zellweger-Fischer, Feldlerchen-Expertin der Schweizerischen Vogelwarte. Es geht also alles sehr schnell bei der Feldlerche. Dennoch setzt ihr die moderne Landwirtschaft auf mehreren Ebenen zu. In intensiv genutzten Wiesen mit frühem Schnitt und kurzen Mähzyklen kann der Vogel seinen Brutzyklus nicht abschliessen, Wintergetreide wird schnell zu dicht und bodenkarge Maisfelder bieten wenig Deckung für die Nester.

 

Beim Säen von Winterweizen sollten die Reihenabstände mindestens 37,5 Zentimeter betragen.

  • Bernhard Streit Professor für Verfahrenstechnik im Pflanzenbau

Mögliche Fördermassnahmen

Diese besorgniserregende Situation war Anlass für ein Forschungsprojekt in Zusammenarbeit der BFH-HAFL, der Schweizerischen Vogelwarte, der Universität Bern und Agridea. Im Fokus stand eine Verbesserung der Lebensraumbedingungen der Feldlerche sowie eine Förderung der Biodiversität von Nützlingen und der von ihnen erbrachten Regulation von Schädlingen. Im Rahmen des Projektes wurden zwei Massnahmen in Hauptanbaukulturen – Weitsaatmuster im Winterweizen und Untersaatmuster im Mais – untersucht, um auf der einen Seite die Brutbedingungen der Feldlerche auf der betreffenden Fläche zu verbessern und Nützlinge zu fördern, auf der anderen Seite die Produktivität der Fläche maximal zehn Prozent zu senken. Letzteres wurde vor allem durch die Nutzung von Teilflächen möglich (siehe Info-Box).

«Der Bruterfolg der Feldlerche wurde vor allem in den Winterweizenfeldern mit Weitsaatmuster mehr als verdoppelt», berichtet Sina Blösch, Doktorandin im Team um Bernhard Streit. Gleichzeitig profitierten Insekten, wie beispielsweise Laufkäfer, wodurch den Feldlerchennestlingen nicht nur mehr Nahrung zur Verfügung steht, sondern auch Schädlinge wie das Getreidehähnchen natürlich kontrolliert werden konnten.

Teilfläche als Chance

Die Fördermassnahmen wurden nur auf einem Teil der Ackerfläche umgesetzt: Im Winterweizen entstanden nur einzelne breite Lücken anstelle einer grossflächigen Weitsaat. Die Untersaat wurde in etwa 24 Meter breiten Streifen auf rund einem Drittel der Fläche angelegt. So konnte die gesamte Fläche ökologisch aufgewertet werden, ohne dabei grosse Ertragseinbussen zu riskieren. «Und positive Effekte können auf benachbarte Flächen überschwappen – sogenannte Spillover-Effekte», sagt Sina Blösch. Gleichzeitig werde die ökologische Vernetzung gefördert und Trittsteine für die Biodiversität geschaffen.

«Beim Säen von Winterweizen sollten die Reihenabstände mindestens 37,5 Zentimeter betragen», sagt Bernhard Streit. Nur so findet die Feldlerche zwischen den Pflanzen genügend Brutraum. Bei Maisfeldern hingegen braucht es eine Bodenbedeckung, um der Feldlerche Schutz vor Fressfeinden zu bieten. Doch machen sich viele Landwirtinnen und Landwirte Sorgen um hohe Ertragseinbussen. «Das Untersaatmuster im Mais zu einer Senkung der Roherträge von durchschnittlich knapp zehn Prozent. Doch bei der Weitsaat im Winterweizen kam es kaum zu Ertragsminderungen», sagt Bernhard Streit.

Doch die Massnahmen könnten sich also trotz geringfügigen Ertragseinbussen lohnen, ist die Feldlerche doch letztlich auch ein Indikator für die Biodiversität. «Wenn wir jetzt nicht handeln, wird die Feldlerche in vielen Gebieten vollständig verschwinden», warnt Judith Zellweger. «Das wäre nicht nur für diesen wunderbaren Vogel ein Verlust, sondern auch für die Biodiversität unserer Kulturlandschaft.» Und auch der heranbrechende Morgen wäre nicht mehr derselbe, wenn ihr Lied nicht mehr erklingt.

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Fachgebiet: Agronomie + Wald