«Wir müssen unseren Konsum drastisch reduzieren»

07.05.2025 Am 7. Mai ist Switzerland Overshoot Day – alle biologischen Ressourcen für das laufende Jahr sind aufgebraucht. Evelyn Markoni, Dozentin für Umwelt- und Ernährungssoziologie an der BFH-HAFL, über nachhaltigen Konsum und verändertes Konsumverhalten.

Evelyn Markoni forscht im Bereich nachhaltiger Konsum. Bild: Selina Haller, BFH-HAFL
Evelyn Markoni forscht im Bereich nachhaltiger Konsum. Bild: Selina Haller, BFH-HAFL

Evelyn Markoni ist Soziologin an der BFH-HAFL. Sie forscht und arbeitet gemeinsam mit ihrem Team im Bereich nachhaltiger Konsum. Sie erläutert im Gespräch, wie sich das Konsumverhalten in der Schweiz im Hinblick auf Nachhaltigkeit verändert hat – und wohin die Entwicklung gehen sollte.

Evelyn Markoni, wenn man die Fakten betrachtet, stellt sich die Frage: Wie hat sich das Konsumverhalten in der Schweiz in Richtung Nachhaltigkeit entwickelt?

Prof. Dr. Evelyn Markoni: Betrachtet man den konsumbedingten Umweltfussabdruck und den Rohstoffverbrauch der Schweizerinnen und Schweizer, so ist der Umweltfussabdruck pro Kopf in den letzten 20 Jahren um 25 Prozent und der Rohstoffverbrauch um 5 Prozent gesunken. Dies liegt vor allem an effizienteren Wertschöpfungsketten, besseren Recycling-Prozessen und einem höheren Anteil erneuerbarer Energien – weniger aber an einem grundsätzlichen Wandel hin zu nachhaltigem Konsum. Tatsächlich ist die Abfallmenge pro Kopf gestiegen, was darauf hindeutet, dass insgesamt mehr konsumiert wird. Der Druck auf die Umwelt nimmt absolut betrachtet weiter zu, erkennbar am anhaltenden Verlust der Biodiversität.

Wie definieren Sie nachhaltigen Konsum, und ist er in unserer Gesellschaft überhaupt realistisch umsetzbar?

Gemäss dem aktuellen Diskurs in der Wissenschaft wird Konsum als nachhaltig bezeichnet, wenn er unter Einhaltung der planetaren Grenzen stattfindet. Sprich, es muss eine Obergrenze unseres Konsums geben. Neben dieser Obergrenze braucht es aber auch eine Untergrenze und einen sozial-gerechten Zugang zu gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln für alle Menschen auf dieser Erde. Ohne eine drastische Veränderung unserer Konsumgewohnheiten kann Konsum nicht nachhaltig werden.

Es geht darum, den Konsum stark zu reduzieren und bewusster zu gestalten: mehr teilen, tauschen, reparieren, statt neu kaufen.

Welche politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Rahmenbedingungen könnten einen nachhaltigen Konsum unterstützen?

Häufig wird die Verantwortung für nachhaltigen Konsum auf das Individuum übertragen. Bei der Transformation hin zum nachhaltigen Konsum spielen hingegen soziale Praktiken eine grössere Rolle. Dazu zählen eben nicht nur das individuelle Verhalten, sondern gesellschaftliche Werte – etwa die Bedeutung von Fleisch –, oder erlernte (Koch-)Fähigkeiten. Beispielsweise könnten in Schulen Kochkurse mit pflanzlichen Proteinen angeboten werden.

Was ist noch nötig?

Weiter braucht es die richtigen strukturellen Bedingungen, wie beispielsweise ein gesundes und nachhaltiges Angebot in der Gemeinschaftsverpflegung. Nachhaltiger Konsum setzt schliesslich faire Ernährungsumgebungen voraus. Auch in der Schweiz sind Menschen von Armut betroffen oder armutsgefährdet und haben nur eingeschränkten Zugang zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung. Um faire Konsumumgebungen zu schaffen, sind gesetzliche Rahmenbedingungen unerlässlich.

Blicken wir in die Zukunft: Welche Veränderungen sind nötig, um nachhaltigen Konsum langfristig in der Gesellschaft zu verankern?

Wir müssen in unserer Gesellschaft den Dialog führen, wie ein gutes Leben innerhalb der planetaren Grenzen gelingen kann. Wie können wir Ernährungsumgebungen fairer gestalten und eine gesunde und nachhaltige Ernährung für alle ermöglichen? Wie schaffen wir Strukturen, die nachhaltige Entscheidungen erleichtern? Für einen Wandel müssen wir neue Lebensformen erproben und für diese auch offen sein. Für eine nachhaltige Zukunft müssen wir unseren Konsum drastisch reduzieren und suffizienter werden – also mit weniger mehr erreichen. Nachhaltigkeit in der Praxis ist oft herausfordernd.

Quelle: Landwirtschaftlicher Informationsdienst, LID

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Fachgebiet: Life Sciences + Lebensmittelwissenschaften