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Neuer Tarif TARDOC: Das ändert sich für Gesundheitsfachkräfte und Patient*innen
27.11.2025 Ab Januar treten das neue Tarifmodell TARDOC und die neuen ambulanten Pauschalen in Kraft. Was bedeutet das für Gesundheitsfachkräfte und Patient*innen? Gesundheitsökonom Tobias Müller erklärt die Zusammenhänge.
Das Wichtigste in Kürze
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TARDOC ersetzt TARMED und verändert die Abrechnung ambulanter Leistungen.
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Neue Pauschalen schaffen sowohl Effizienz- als auch neue Mengenanreize.
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Trotz Reform sind keine sinkenden Gesundheitskosten zu erwarten.
Tobias Müller, um was geht es beim TARDOC?
Der TARDOC löst den TARMED ab und ist damit der wichtigste Tarif im ambulanten Sektor. Will heissen: Wie sein Vorgänger TARMED ist auch der TARDOC im Prinzip ein Preiskatalog aller ambulanten Leistungen, die über die Grundversicherung abgerechnet werden können. Darin finden sich beispielsweise die Preise der ersten 5 Minuten Grundkonsultation bei der Hausärztin oder beim Hausarzt (~CHF 17), einer Blutentnahme (~CHF 5) oder einer Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft (~CHF 120).
Neu sind auch ambulante Pauschalen. Im TARMED wurde jede Leistung einzeln abgerechnet. Neu müssen bestimmte ambulante Eingriffe – beispielsweise eine Vasektomie (~ CHF 1’600) oder eine beidseitige Kataraktoperation (~ CHF 2’355) – als Gesamtpaket abgerechnet werden.
Was ändert sich also durch den TARDOC genau?
Konzeptionell ist vieles ähnlich geblieben wie beim TARMED: Ärzt*innen rechnen nach wie vor einen Grossteil der ambulanten Leistungen einzeln ab. In solchen mengenbasierten Vergütungssystemen gilt: «Wenn ich mehr mache, verdiene ich auch mehr.» Es gibt also einen klaren finanziellen Anreiz zur Mengenausweitung.
Die neuen ambulanten Pauschalen sollten hier dagegenwirken: Damit haben Anbieter einen Anreiz, Behandlungskosten zu senken – etwa durch effizientere Prozesse oder den Verzicht auf unnötige Leistungen – weil sie dadurch mehr verdienen. Das Ganze hat aber einen Haken: Analog zu den Fallpauschalen in den Spitälern haben Leistungserbringer auch hier einen Anreiz, möglichst viele Pauschalen abzurechnen. Damit gibt es auch hier einen Mengenanreiz.
Von verschiedenen Seiten gibt es Kritik am neuen Tarif. Was genau wird bemängelt?
Vonseiten der Ärzteschaft wird insbesondere bemängelt, dass die Tarife in der «Maschinenmedizin» – also überall dort, wo technische Infrastruktur und Geräte eingesetzt werden – zu stark gekürzt worden sind. Als konkrete Beispiele werden etwa die Vergütung von Thorax-MRIs von vormalig rund CHF 210 auf CHF 143 oder Mammografie-Screenings von CHF 134 auf CHF 40 heruntergesetzt.
Gleichzeitig aber wurde die Sprechmedizin – also Hausärzt*innen, Kinderärzt*innen und Psychiater*innen – bessergestellt. Diese können neu nach den ersten 5 Minuten jede Minute einzeln zu einem etwas höheren Tarif abrechnen.
TARDOC & ambulante Pauschalen: Neue Tarife im Gegenwind
Gegen den TARDOC und die ambulanten Tarife regt sich Widerstand aus verschiedenen Fachkreisen. Für Gesundheitsökonomin Katharina Blankart ist das keine Überraschung. Im Blog von MediData erklärt die Leiterin des Instituts für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik der BFH, warum das grundsätzliche Problem der Gesundheitskosten in der Schweiz auch in Zukunft bestehen wird.
Was ist Ihre Reaktion darauf?
Grundsätzlich ist es zu begrüssen, dass die Grundversorgung gestärkt wird. Hier wurde gerade im TARMED zu lange zu wenig gemacht – und einige Medizinstudent*innen haben sich wohl auch deshalb in der Vergangenheit für eine Karriere als Spezialist*in entschieden.
Auch sehe ich wegen den Tarifkürzungen keine akute Gefahr der Unterversorgung mit technischen Leistungen, da Ärzt*innen nach wie vor einen grossen Entscheidungsspielraum bei Behandlungsentscheidungen – und damit bezüglich ihres Einkommens – haben.
Was ändert sich mit dem neuen System für Gesundheitsfachkräfte, Patient*innen und Prämienzahlende?
Zwar sind Prognosen immer schwierig, aber ich wage jetzt mal eine: Da wir in den nächsten Jahren im ambulanten Sektor bei einer mengenbasierten Vergütung bleiben, wird auch die Mengenausweitung weitergehen. Und damit sind auch keine sinkenden Prämien und Gesundheitskosten in Sicht. Dafür müssten wir die Vergütung von Ärzt*innen und Gesundheitsfachpersonen grundlegend neu gestalten.