Alles im Kreislauf halten

27.02.2024 Der Verein «EcoCircular» in Lyss hat eine Ziel: Die Kreisläufe eines Industriegebietes sollen weitestgehend geschlossen werden. Gelingen soll dies mit Hilfe der Expertise aus der BFH-HAFL sowie dem BFH-Department Technik und Informatik.

In diesem Lysser Industriegebiet sollen Kreisläufe geschlossen werden. Drohnenbild: BFH-HAFL
In diesem Lysser Industriegebiet sollen Kreisläufe geschlossen werden. Drohnenbild: BFH-HAFL


Was für ein Ziel: Eine ökologisch nachhaltige Wirtschaft, bei der kaum noch Abfall entsteht und möglichst wenig Energie verschwendet wird und anfallende Nebenprodukte zu hundert Prozent verwertet und Kreisläufe vollständig geschlossen werden. So sieht der Verein «EcoCircular Lyss Seeland» die Zukunft. Er besteht aus der Verwerterin tierischer Nebenprodukte Centravo, der Gemeinde Lyss, der ARA Lyss Limpachtal sowie dem Gasversorgungsunternehmen Seelandgas. Die BFH-HAFL ist ebenfalls Mitglied des Vereins – zusammen mit der BFH-TI sorgt sie dabei für das nötige technisch-wissenschaftliche Knowhow.

Unerlässlich für einen funktionierenden Kreislauf ist eine optimale Energievernetzung des Industriegebiets, für die bereits erste Gespräche mit ansässigen Firmen, der Gemeinde und der Verteilnetzbetreiberin geführt wurden. Dabei sollen unter anderem lokale Energieverbraucher und -erzeuger durch ein smartes Steuerungssystem zeitlich aufeinander abgestimmt werden, um den Eigenverbrauch des Systems zu optimieren und dadurch das Verteilnetz zu stabilisieren. Einige der grösseren Nebenströme wie zum Beispiel Phosphor aus der Asche nach der Verbrennung von Tiermehl wurden bereits erfasst und die Überlegungen, wie diese aufgewertet werden könnten, laufen heiss (siehe Box 1). «Ab sofort bis 2025 werden nun Pilotstudien und kleinere Forschungsprojekte durchgeführt», erläutert Matthias Meier, Dozent für nachhaltige Lebensmittelwirtschaft und Projektleiter Knowledge Hub EcoCircular an der BFH-HAFL, den Plan. Und der ist gross: «Das Projekt EcoCircular soll auch Modellcharakter für andere Industriegebiete haben», betont Matthias Meier.

Im Labor wird überprüft, ob Algen als Filter fungieren können. Foto: Reto Baula, BFH-HAFL
Im Labor wird überprüft, ob Algen als Filter fungieren können. Foto: Reto Baula, BFH-HAFL

Mikroalgen und ARA – wie passt das?

Vielversprechend ist zum Beispiel das gemeinsame Forschungsprojekt von BFH-HAFL und BFH-TI mit dem Namen «Mikroalgenzucht auf gereinigtem Abwasser». Ziel ist es, die Restmengen an Nitrat in gereinigtem Abwasser zu binden. «Die Algen nehmen das Nitrat auf und werden so selbst zu proteinreicher Biomasse, die als Dünger oder potenziell Futtermittel verwendet werden kann», erläutert Jan Lemola, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Food Science & Management an der BFH-HAFL, die Prozesse dahinter. Dazu soll die Machbarkeit eines «Algenfilters», also das Wachstums der Mikroalgen als Oberflächenschicht eines Filters geprüft werden. Die Algen verwenden das Nitrat als Stickstoff- und CO2 als Kohlenstoffquelle für ihr Wachstum. Dabei wird geprüft, ob das CO2 aus der Umgebungsluft oder aus dem Abgas des Blockheizkraftwerks der Biogasanlage genutzt werden kann. Im zweiten Fall könnte das CO2 in Algenbiomasse gebunden werden, das sonst in die Atmosphäre abgegeben wird.

Fischfutter aus Schweineprotein

Nicht nur Dünger, auch Futter kann entstehen, so diese spannende Idee aus dem Aquaforum der BFH-HAFL. Thomas Janssens, Dozent für Aquakultur und Leiter des Aquaforums möchte risikoarme tierische K3-Proteine aus Nebenströmen für Fischfutter aufbereiten. Er untersucht aktuell gemeinsam mit seiner Forschungskollegin Elena Wernicke von Siebenthal Möglichkeiten, wie man Rinder- und Schweineproteine für Fischfutter nutzen kann. Der Hintergrund: Die meisten Fische, die in der Schweiz und in Europa in Aquakultur gezüchtet werden, sind Fleischfresser. Das Futter dieser Fische erfordert in der Regel einen hohen Anteil an proteinreichen Rohstoffen wie Fischmehl, und genau von dieser Abhängigkeit versucht sich die Aquakultur-Industrie allmählich zu lösen. «Die weltweit wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln zwingt die Aquakultur dazu, sich auf die Suche nach proteinreichen, ökologisch gut verträglichen Rohstoffen für Aquafutter zu machen», stellt Thomas Janssens klar. Aber sind diese denn auch erlaubt? In der Schweiz wäre die Verwendung von Nebenprodukten von Schwein für diesen Zweck gemäss Janssens grundsätzlich möglich, wenn auch bislang wenig verbreitet. Rindfleischprotein hingegen unterliegt in der Schweiz und der EU rechtlichen Beschränkungen und ist eine «vergessene» Proteinquelle. Rinderprotein ist aufgrund der strengen Auflagen nur schwierig als Proteinquelle zu erschliessen. «Trotzdem könnten Nebenprodukte der Kategorie K3 oder sogar eine Vermischung verschiedener Risikokategorien als Bestandteile für Aquakulturfutter in Frage kommen», sagt Thomas Janssens und schiebt sofort nach; «natürlich nur, wenn dieses sicher ist».

Forschungsleiter Michael Studer überprüft die Entwicklung der Mikroalgen. Foto: Reto Baula, BFH-HAFL
schungsleiter Michael Studer überprüft die Entwicklung der Mikroalgen. Foto: Reto Baula, BFH-HAFL

Nutzen, was bereits vorhanden ist

Viele weitere Ideen, die an die Kreisläufe des Projekt EcoCirculars, andocken könnten, sind etwa eine effizientere Erzeugung von Biogas oder die Kultivierung von Schwarzen Soldatenfliegen auf Klärschlamm, um Verpackungsmaterial und Kompost herzustellen. Ein Aquaponik-Projekt, also ein Treibhaus in Kombination mit Fisch- und Pflanzenzucht im Sinne eines Tropenhauses, und auch die Rückgewinnung von reaktivem Stickstoff aus Abwasser können angedacht werden. Letzteres ist ein Anliegen von Michael Studer, Dozent für erneuerbare Rohstoffe und Energieträger und Forschungsgruppenleiter «Labor für Bioenergie und Biochemikalien» an der BFH-HAFL: «Reaktiver Stickstoff wird technisch heute aus fossilem Erdgas gemacht. Ein grosser Teil dieses Stickstoffs endet schliesslich in den Kläranlagen wo dieser mit Energieaufwand vernichtet und als elementarer Stickstoff wieder in die Atmosphäre abgegeben wird», sagt Michael Studer. Den reaktiven Stickstoff aus dem Abwasser aufzuwerten, um dadurch Kunstdünger zu ersetzen, entspricht genau der Zielsetzung des Projektes EcoCircular: Kreisläufe schliessen und nutzen, was bereits vorhanden ist.

Aus: focusHAFL 2/23

Box: Kategorien tierischer Nebenprodukte

K1 = nur zur Entsorgung/Verbrennung oder zur energetischen Nutzung vor der Verbrennung (z.B. Gehirn, Augen, Rückenmark vom Rind sowie Tierkadaver) nutzbar

K2 = Darf nicht verfüttert werden, z.B. Genussuntauglich Schlachtviehkörper oder Teile davon mit Anzeichen einer auf Menschen oder Tiere übertragbaren Krankheit

K3 = Nicht für den menschlichen Verzehr, z.B. Blut oder Haut von Rindern, Schweinen oder Geflügel ohne Anzeichen einer auf Menschen oder Tiere übertragbaren Krankheit

Mehr erfahren

Fachgebiet: Agronomie + Wald
Rubrik: Forschungseinheit