Das gesamte Ernährungssystem im Blick

07.09.2022 Das Schweizer Agrarpolitik Forum 2022 machte es deutlich: Die Schweiz braucht eine neue Agrarpolitik mit Fokus auf das gesamte Ernährungssystem. Was das genau bedeutet und welche Rolle dabei das Forum spielt, erklärt Martin Pidoux im Interview.

Martin Pidoux, Schweizer Agrarpolitik Forum 2022
Martin Pidoux, Dozent für Agrarpolitik und -märkte und Mitorganisator des Schweizer Agrarpolitik Forums.

Martin Pidoux, was verstehen Sie unter einer neuen Agrarpolitik?

Unser heutiges Ernährungssystem ist nicht nachhaltig. Das ist eine Tatsache. Und wenn wir unseren ökologischen Fussabdruck verringern wollen, dann brauchen wir eine neue Art der Agrarpolitik. Wir brauchen eine Politik, die sich weniger stark auf die Produktion konzentriert. Die Verarbeitung, der Detailhandel und wir alle als Konsumentinnen und Konsumenten stehen ebenso in der Verantwortung wie die Landwirtschaft. Was uns fehlt, ist eine ganzheitliche Ernährungspolitik.

Reicht dafür eine Reform aus, oder braucht es eine Revolution? Oder anders gefragt: Wohin geht denn nun die Reise in der Schweizer Agrarpolitik?

Ich denke nicht, dass wir alles über den Haufen werfen können. Schliesslich geht es hier um unsere Ernährung. Wir können uns keine Experimente erlauben! Wir brauchen eine gewisse Kontinuität und Stabilität. Das Referat von Jonathan Baker über die Situation in England hat das gut illustriert: Die Ideen sind zwar vorhanden, aber die Umsetzung ist unglaublich schwierig. 

Interessant fand ich in diesem Zusammenhang auch das Votum von Hansjörg Walter, dem ehemaligen Präsidenten des Schweizer Bauernverbands. Er hat die Frage gestellt: Was braucht es, um etwas in der Agrarpolitik zu verändern? Es braucht Druck von aussen, zum Beispiel durch die Proteste der Klimajugend oder in Form von Initiativen zum Tierwohl. Die Agrarpolitik ändern sich nicht von selbst. 

Was wir brauchen, das ist eine kontinuierliche Evolution, eine Weiterentwicklung – aber im richtigen Tempo und proaktiv. Die Welt steht nicht still und die Herausforderungen von heute und morgen sind nicht mehr die gleichen wie in der Vergangenheit. Wir müssen die Agrarpolitik ständig anpassen, wollen wir kommenden Herausforderungen gewachsen sein. 

Martin Pidoux, Schweizer Agrarpolitik Forum

Das Schweizer Agrarpolitik Forum fand dieses Jahr bereits zum fünften Mal statt. Wird das Forum auch noch ein 10jähriges Jubiläum feiern?

Das hoffe ich natürlich. Ob es in diesem Format weitergeht und welche Themen in fünf Jahren dringend sein werden, das kann ich nicht voraussagen. Aber die Politik lebt vom Austausch, vom Dialog. Und darum denke ich, wird das Schweizer Agrarpolitik Forum auch noch in fünf oder zehn Jahren von Bedeutung sein. 

Unsere Stärke ist der Dialog zwischen den unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren. Zudem bieten wir einen Einblick in die aktuelle Forschung und Perspektiven aus dem Ausland. Das Referat von Birgit Kopainsky und Manuel Hempel hat zum Beispiel eindrücklich gezeigt, wie sich die ändernden Wetterbedingungen auf die Landwirtschaft Norwegens auswirken werden. Und der Klimawandel wird auch in der Schweiz der eigentlich Haupttreiber bleiben. Ich denke, das ist den Teilnehmenden des Forum 2022 klar geworden. 

Das ist der Zweck unseres Forums: dringende Themen ganz nach vorne zu bringen in der Diskussion um die Agrarpolitik von Morgen. 

Save the date

Das Schweizer Agrarpolitik Forum findet auch 2023 wieder statt: Reservieren Sie sich den 31. August und 1. September 2023 bereits jetzt! Weitere Infos folgen zu gegebener Zeit auf der Veranstaltungsseite.

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Rubrik: Forschung