Hacken für's Gemeinwohl - ein Chatbot für die Freiwilligenarbeit

18.10.2023 Freiwillige gezielter mit Menschen zusammenführen, die Hilfe benötigen – dies ist das Ziel eines Onlinetools von certaid. Mit seinem Lösungsansatz gewann das Team um certaid den Publikumspreis des diesjährigen Hack4SocialGood. Vom Format des Innovationsworkshops ist der Projektleiter Matthias Pieren begeistert.

Durchmischtes Team entwickelt Chatbot für Freiwilligenarbeit

Am letzten Wochenende im März brüteten 47 Teilnehmende des Hack4SocialGood über Flipcharts, Haftnotizen und ihren Computern. In interdisziplinären Teams suchten sie Lösungen zu acht ausgewählten Challenges mit realen Problemen, die von sozialen Organisationen eingebracht worden waren und mit Daten oder Software zu tun hatten. Der zweitägige Innovationsworkshop schlug so eine wichtige Brücke zwischen dem sozialen und dem technischen Sektor, denn im Bereich der Digitalisierung bestehen in sozialen Organisationen wichtige Bedürfnisse, oft fehlt es jedoch an Ressourcen, um diese zu erfüllen. Auf der anderen Seite kennen Data-Science-Spezialist*- innen, welche die digitale Transformation vorantreiben, die Herausforderungen des Sozialwesens zu wenig.

Eine der eingereichten Challenges stammte von certaid, einer Organisation, welche die Vermittlung Freiwilliger revolutionieren möchte. Mit der ausgearbeiteten Lösung gewann certaid den Publikumspreis des Hackathons. Der Projektleiter Matthias Pieren erklärt im Interview die Motivation, am Hack4SocialGood mit der Challenge am Start zu sein, wie sich das Projekt inzwischen weiterentwickelt hat und weshalb er auch nächstes Jahr wieder an dem Event teilnehmen möchte.

Hacken fürs Gemeinwohl: Was herauskommt, wenn Programmierer*innen sich für den Sozialbereich einsetzen
Hacken fürs Gemeinwohl: Was herauskommt, wenn Programmierer*innen sich für den Sozialbereich einsetzen

Warum haben Sie sich mit certaid mit einer Challenge am Hack4SocialGood beteiligt?

Für uns war der Event eine super Gelegenheit, um für die Herausforderung, die unser Netzwerk angehen möchte, mögliche Lösungsansätze zu entwerfen und auch erste einfache, praktikable Lösungen umzusetzen. Und dies zusammen mit Menschen, die uns noch nicht kannten und unsere Ideen deshalb offen und kritisch beleuchten konnten.

Ihr Projekttitel «Menschen in Not – Freiwilligenhilfe in der Schweiz verbessern» klingt spannend. Das Projekt haben Sie beim Hack4SocialGood als Challenge eingegeben. Um was geht es dabei?

Certaid hat sich zum Ziel gesetzt, Hilfesuchende und Freiwillige auf einem möglichst einfachen, niederschwelligen Weg zusammenzubringen. Dazu brauchen wir ein Onlinetool für die Erfassung freiwilliger Helfer*- innen und verschiedener Unterstützungsbedürfnisse. Wir wollen für die Vernetzung von Menschen einen neuen Standard setzen und dafür neue Wege gehen. Zum einen sollen zeitgemässe, moderne technische Hilfsmittel zum Einsatz kommen, zum anderen ist es uns aber auch wichtig, unsere Helfer*innen zu kennen, fördern, auszubilden und bei Bedarf auch zu zertifizieren.

Sie möchten ein Onlinetool entwickeln, das unter anderem einen Chatbot für die Erfassung freiwilliger Helfer*innen umfasst? Wie konnten Sie diese Idee am Hack4SocialGood weitertreiben?

Die Idee für einen Chatbot entstand erst am Event während der Bearbeitung der Challenge. Für uns war es ideal, unsere Bedürfnisse nochmals zu diskutieren, bevor wir mit der Umsetzung der Lösung beginnen. Und genau darin liegt auch der Mehrwert des Formats. Der Hack4SocialGood war für uns zu dem Zeitpunkt somit die passende Plattform. Auf unserer zukünftigen Plattform soll der Chatbot die zentrale Anlaufstelle für Fragen zur Freiwilligenarbeit sein. In einem zweiten Schritt soll danach die Suche nach passenden Helfer*innen vereinfacht werden.

Das Projekt wurde seither weiterentwickelt. Wo stehen die Arbeiten aktuell?

Wir haben den Chatbot nach der Challenge noch etwas aufgeräumt und einige sprachliche Präzisierungen vorgenommen. Das war aufgrund der soliden Ausgangsbasis problemlos möglich. Anfangs Juni konnten wir nun eine Zusammenarbeit mit der Plattform «Five up» abschliessen. Dies stellt einen enormen Schritt dar, da wir bei einer bereits bestehenden Plattform ankoppeln, womit grosse zeitliche und finanzielle Investitionen entfallen. Wir gehen nun davon aus, dass wir Ende Jahr die ersten Probedurchläufe bei der Suche nach Vermissten durchführen können. Der Chatbot ist dabei ein zentrales Element. Bis wir das Gesamtprojekt umgesetzt haben, werden wir noch einige Herausforderungen bewältigen müssen. Im Moment sind wir vor allem mit der Suche nach Partnerorganisationen beschäftigt, die unser Vorhaben unterstützen. Auf der technischen Seite werden wir noch kleinere Anpassungen vornehmen – da sind wir dank der Challenge inhaltlich aber schon sehr weit. Bei certaid sind wir alle freiwillig im Einsatz. Für den Erfolg unseres Projekts brauchen wir Menschen, die an den Wert der Freiwilligenarbeit in der Schweiz glauben. Bei uns ist jede Hilfe willkommen.

Impression vom Hack4SocialGood Workshop

«Es war schön zu sehen, wie viele Menschen ihre Energie für diese Sache einsetzen. Ich kam gespannt und mit einem guten Gefühl an den Hack. Am Ende war ich vor allem müde, aber auch sehr zufrieden.»

Wurden Ihre Erwartungen am Hack4SocialGood erfüllt?

Unsere Erwartungen wurden sogar übertroffen. Wir haben nicht erwartet, dass in so kurzer Zeit ein solch überzeugendes Resultat möglich ist. Etwas erschwerend war, dass wir ein etwas kleines Team waren und während der beiden Tage noch einige Wechsel hatten. Wir haben nun aber ein konkretes Resultat, das wir so weiterverwenden können. Wir sind mehr als zufrieden!

Wie hat Ihnen der Hack4SocialGood gefallen? Was haben Sie aus dem intensiven zweitägigen Event mitgenommen?

Es war eine sehr offene, lösungsorientierte Atmosphäre, und wir konnten uns über die Challenges hinaus austauschen und vernetzen. Die Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung des Events waren gut organisiert und die Ansprechpersonen äusserst hilfsbereit und kompetent. An dieser Stelle noch ein grosses Dankeschön für das Engagement. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen. Entweder mit einer neuen Challenge oder als einfacher Teilnehmer, um andere spannende Projekte zu unterstützen.

certaid – das Netzwerk für Hilfesuchende und Helfende?

Das Netzwerk mit Sitz im bernischen Krauchthal bringt Menschen, die helfen wollen, mit denen zusammen, die Hilfe benötigen. Es setzt sich dafür ein, dass jeder Mensch Zugang zu schneller und effektiver Hilfe hat – sei es bei Vermisstenfällen, in Zeiten einer Pandemie oder bei Naturkatastrophen wie Hochwasser und Erdbeben. Certaid will Barrieren abbauen und Kompetenzen verfügbar machen, um gemeinsam drängende Probleme im Bereich der Hilfeleistung zu lösen.

Weitere Informationen: Certaid.ch

Matthias Pieren, Projektleiter und Community Manager bei certaid
Matthias Pieren ist Projektleiter und Community Manager bei certaid. Der diplomierte Agronom FH hat einen MAS in Business- und IT-Consulting. Neben der Arbeit im Netzwerk für Hilfesuchende und Helfende ist er bei der SBB im Bereich Coaching und Beratung sowie als selbständiger Agrarberater tätig. Das Interview führte Alexandra von Allmen im Mai 2023.

Dieser Artikel ist im September 2023 im Printmagazin «impuls» erschienen.

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Hack4SocialGood

Der nächste Hack4SocialGood findet am 19./20. April 2024 im Toni Areal in Zürich statt.

Menschen aus dem Technik- und dem Sozialbereich zusammenführen, um an einer zweitägigen Veranstaltung sozialen Organisationen zu helfen, Lösungen für Anliegen im Digitalisierungsbereich zu finden. Dies ist das Ziel des Hack4SocialGood. Im Rahmen des Anlasses können sich alle engagieren, unabhängig vom Hintergrund. Der Event wird in Partnerschaft der vier Hochschulen BFH Soziale Arbeit, ZHAW Soziale Arbeit, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW und HE-SO Valais organisiert.

Weitere Informationen: bfh.ch/hack4socialgood

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Fachgebiet: Sozialkompetenzen + Interaktion, Digitale Transformation + Digital Skills, Soziale Sicherheit
Rubrik: Soziale Arbeit