Akzeptanz führt zu Erfolg

30.01.2024 Welche Folgen hat neue Technik auf den Menschen und wie muss neue Technologie sein damit sie akzeptiert wird? Im Artikel der Zeitschrift Technik und Wissen erzählt Prof. Dr. Sarah Dégallier Rochat welche Denkfehler die Robotik-Forscherin beobachtet und erklärt, welche Vorgehensweise zu Akzeptanz und Erfolg führen kann.

Charly Chaplin zeigte bereits 1936 in «Modern Times», welche Konsequenzen eine inhumane Technik haben kann: Arbeitende stumpfen ab, weil sie nur noch einen Teil ihrer erlernten Fähigkeiten nutzen können. «Man setzt Menschen nicht absichtlich monotoner Arbeit aus», glaubt Prof. Dr. Sarah Rochat von der BFH in Biel. Vielmehr geschehe das, weil man sich keine Gedanken darüber mache, welche Folgen eine neue Technik für den Anwender habe, so die Leiterin des strategischen Themenfelds «Humane digitale Transformation».
Allerdings, gesteht sie, sei es gar nicht so einfach, abzuwägen, wie sich eine neue Technik oder Technologie auf den Menschen auswirke. Zumal viele Stolpersteine auf dem Weg dahin liegen, beispielsweise in Form falscher Folgerungen und Vorurteile. 
Einen Denkfehler, den die Robotik-Forscherin immer wieder beobachtet, ist die Annahme, dass Menschen neugierig und für Veränderungen offen seien. «Das ist falsch», sagt Sarah Rochat und erklärt: «Nicht jeder sucht einen tieferen Sinn oder sogar eine Befriedigung in seiner Arbeit. Manch einem genügt es, wenn er jeden Tag das Gleiche tun kann.» Dränge man solche Mitarbeitende in neue Abläufe oder zu neuen Tätigkeiten, gingen diese automatisch in eine Verweigerungshaltung – selbst wenn das Neue eigentlich interessanter und abwechslungsreicher wäre! Diese Ablehnung kann so weit gehen, dass Maschinen, Apparate oder auch Geräte absichtlich falsch bedient werden. Im schlimmsten Falle führt das dazu, dass hohe Entwicklungskosten für etwas generiert wurden, dass nicht genutzt wird. Meistens ist es aber so, dass die Anwender die Technologie nicht richtig verwenden können oder sich zu sehr auf diese verlassen. Dies wiederum führt zu Sicherheitsproblemen oder einem Produktivitätsrückgang – und manchmal auch zu beidem!

«Die Technologie muss nützlich und praktisch sein, damit die Anwender ihr gegenüber eine positive Haltung einnehmen und alles tun, um diese zu beherrschen und effizient zu nutzen»,

Prof. Dr. Sarah Dégallier Rochat
Prof. Dr. Sarah Dégallier Rochat Leiterin Humane Digitale Transformation

So entsteht akzeptierte Technologie

Wie sieht nun aber die ideale Vorgehensweise aus, damit eine Entwicklung am Ende auch akzeptiert wird? «Die Technologie muss nützlich und praktisch sein, damit die Anwender ihr gegenüber eine positive Haltung einnehmen und alles tun, um diese zu beherrschen und effizient zu nutzen», sagt Sarah Rochat. Deshalb sollten Betroffene schon früh in die Entwicklung miteinbezogen werden, um deren Aufgaben zu kennen und so deren Bedürfnisse in diese einfliessen zu lassen. «Früher war das nicht notwendig, da Experten Technologien für Experten entwickelten», sagt Sarah Rochat und ergänzt: «Heute nutzen aber immer häufiger gewöhnliche Menschen die von Experten entwickelten Technologien. Das ist eine ganz andere Ausgangslage.»

Damit diese «gewöhnlichen» Anwender eine neue Technologie akzeptieren, geht die BFH daher wie folgt vor. «Wir beobachten zunächst den Prozess und wie Menschen in diesem Arbeiten», erzählt Sarah Rochat. Dieser Beobachtung folgen Interviews, um ein Verständnis dafür zu bekommen, was Mitarbeitende gerne und was sie weniger gerne machen. Dabei sei es hilfreich, sagt sie, wenn man zunächst abkläre, was nicht so gern getan werde: «Dann freuen sich die Betroffenen, dass diese Arbeit automatisiert werden soll.» 
«Nicht jeder sucht einen tieferen Sinn in seiner Arbeit.» Weil das Entwickler aber oftmals annehmen, entstehen gemäss Sarah Rochat nicht akzeptierte Technologien. 
Die so gewonnenen Erkenntnisse fliessen in die Prototypen ein, die entsprechend dem Feedback der Anwender solange optimiert werden, bis diese die Technologie als nützlich und effektiv empfinden. Obwohl diese Vorgehensweise zusätzliche Kosten verursacht, zeigt sich, dass diese zu deutlich besseren Resultaten führt: Die Nutzenden können sich so die Technologie aneignen, wodurch Leistung, Motivation und Zufriedenheit steigen.

Beispiele aus der Praxis

Diese Vorgehensweise findet auch ausserhalb der Berner Fachhochschule immer mehr Befürworter. Mittlerweile wird diese sogar aktiv von Unternehmen kontaktiert, die Mitarbeitende aktiv in anstehende Transformationsprozesse einbinden wollen, um bei diesen nicht zu stolpern. Im Rahmen eines Innosuisse-Projektes unterstützte die BFH so beispielsweise ein Unternehmen aus dem Bereich der Medizintechnik. Dieses suchte nach Wegen, die es Technikern ohne robotische Expertise erlaubt, Roboter rasch für neue Aufgaben umzuprogrammieren. Für eine höhere Produktivität und eine grössere Flexibilität sollten die Operatoren die Roboter ausserdem möglichst unabhängig und effizient bedienen können. Dies soll es dem Unternehmen erlauben, schneller auf geänderte Anforderungen zu reagieren und neue Produkte auf den Markt zu bringen. «Dieser Ansatz ist aber nur möglich, wenn sich die Menschen dazu befähigt fühlen, die Technologie innovativ und effizient zu nutzen», ist sich Sarah Rochat sicher. «Eine Technologie muss nützlich sein, damit Anwender ihr gegenüber eine positive Haltung einnehmen.» betont Robotik-Forscherin Sarah Rochat.

Diese Flexibilität wünschen sich auch Unternehmen aus anderen Branchen, weil sich diese mit gleichen oder ähnlichen Problemen konfrontiert sehen. So konnte zum Beispiel ein Uhrenhersteller in der Vergangenheit den Bestelleingang für bis zu zwei Jahre im Voraus vorhersagen. Heute sind seine Prognosen oftmals schon nach ein paar Monaten obsolet und er muss reagieren. Mit der klassischen Automatisierung ist das allerdings nur bedingt möglich, da sich diese nicht innerhalb von wenigen Tagen entwickeln, umsetzen oder anpassen lässt. Was also tun? «Die Lösung ist eine partielle Automatisierung, bei der der Mensch und die Maschine eng zusammenarbeiten», so Sarah Rochat. Durch die Flexibilität des Menschen und die Effizienz der Maschine kann das Uhrenunternehmen nun wesentlich besser auf den Bestellungseingang reagieren. Damit die Mitarbeitenden die Kooperation mit dem Roboter akzeptieren, setzte die BFH aufs beschriebene Vorgehen.

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