Mit E-Learning Präsentismus am Arbeitsplatz reduzieren

02.05.2024 Mit massgeschneiderten Empfehlungen für ihren Lebensstil könnten Angestellte motiviert werden, in ihrem Alltag kleine, aber wirkungsvolle Veränderungen vorzunehmen. Dies könnte ihre Gesundheit verbessern und helfen, Präsentismus am Arbeitsplatz zu vermeiden. Eine Studie der BFH zeigt auf, wie dies aussehen könnte.

Wer krank ist, sollte sich Zeit für die Genesung lassen und sich ausruhen. Oftmals gehen Menschen aber auch dann noch ihrer Arbeit nach, wenn sie sich nicht gesund fühlen. Dieses Verhalten heisst Präsentismus und ist eine in allen Branchen verbreitete Realität. Verstärkt wird Präsentismus, wenn ein Unternehmen eine hohe Anwesenheit verlangt oder Anreize für die Anwesenheit schafft. Wenn Mitarbeitende arbeiten, obwohl sie sich aus gesundheitlichen Gründen ausruhen sollten, ist dies aus mehreren Gründen problematisch. Kranke Mitarbeitende auf der Arbeit stecken ihre Kolleg*innen an, sind nachweislich länger krank und riskieren eine chronische Erkrankung und somit noch längere Abwesenheiten. Gemäss Zahlen der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz kostet uns das Phänomen Präsentismus jährlich bis zu fünf Milliarden Franken (MonAM, 2022).

Illustration einer Frau, die sich die Nase schnäuzt und hinter einem Laptop arbeitet

BFH-Studie mit Fokus auf Mitarbeiterebene

Aufgrund dieser Zahlen erstaunt es nicht, dass das Interesse an Präsentismus in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist. Unternehmen investieren vermehrt in betriebliches Gesundheitsmanagement, um eine nachhaltige Gesundheitskultur zu fördern. Ziel ist es, gesündere Mitarbeitende zu haben, was wiederum zu weniger Präsentismus führen sollte. Die BFH hat im Auftrag der SWICA Gesundheitsorganisation das Projekt «Presenteeism at Work – Occupational Health Management and Presenteeism among employees» durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurden Daten zum Präsentismus in verschiedenen Branchen erhoben. Darüber hinaus wurde ein E-Learning-Programm mit Lebensstil-Interventionen entwickelt, um Präsentismus zu reduzieren. 

Bei Lebensstil-Interventionen im betrieblichen Gesundheitsmanagement liegt der Fokus häufig einerseits auf der Unternehmensebene, beispielsweise auf Sportangeboten oder gesünderem Essen in der Kantine, andererseits auf der Mitarbeiterebene, etwa dem unterstützenden Führungsverhalten und der Teamkultur. Das BFH-Projekt legte den Fokus auf die Mitarbeiterebene. Es zeigte sich, dass es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale gibt, die das Verhalten von Präsentismus begünstigen. Aus diesem Grund erschien ein möglichst massgeschneidertes Angebot passend zu sein.

Wie gehen chronisch Kranke mit Präsentismus um?

Wie gehen chronisch Kranke mit Präsentismus um?

Die der BFH-Studie zugrunde liegende Definition von Präsentismus als krankheitsbedingte Abwesenheit von der Arbeit ist vage, wenn chronisch kranke Menschen miteinbezogen werden sollen. Denn: Chronisch Kranke verursachen nicht automatisch Präsentismus, wenn sie mit ihrer Erkrankung zur Arbeit gehen. Nicht jedes Krankheitssymptom schränkt die Produktivität ein oder erfordert eine Genesung ohne Arbeitstätigkeit. Es geht also darum, dass Menschen ihr subjektives Verständnis des eigenen «Krankseins» erkennen und sich dementsprechend in der jeweiligen Situation für oder gegen die Arbeitstätigkeit zu entscheiden. Auch akute Krankheiten müssen differenzierter betrachtet werden.

E-Learning: Eine Verhaltensveränderung ist aufwändig

Das E-Learning der erwähnten Studie zur Reduktion von Präsentismus war in drei Phasen mit jeweils zweimonatigen Intervallen aufgebaut. In der ersten Phase wurde Wissen über Präsentismus, seine Einflussfaktoren und langfristigen Folgen vermittelt. Die Resonanz zeigte, dass das Thema vielen Teilnehmenden nicht bekannt war und dass sie für ihre Gewohnheiten sensibilisiert wurden, auch für mehr Achtsamkeit im Umgang mit Krankheit im eigenen Team. In der zweiten Phase lag der Schwerpunkt auf den Kompetenzen. In verschiedenen Sequenzen konnten die Teilnehmenden das Geben und Empfangen von Feedback in Bezug auf Krankheit üben, zudem erhielten sie Informationen über die richtige Gestaltung ihres Arbeitsplatzes. Die Rückmeldungen zu dieser Phase machten deutlich, dass sich einige Mitarbeitende zunehmend trauten, ihren Standpunkt gegenüber ihren Vorgesetzten zu vertreten. Klar wurde aber auch, dass Vorgesetzte versuchten, die Kultur zu verändern, indem sie an Teamanlässen offen über das Thema sprachen. In der dritten Phase lag der Fokus auf der eigenen Haltung zum Präsentismus. Die bisherigen Inhalte wurden reflektiert und die Teilnehmenden konnten spielerisch Szenarien erarbeiten, um zu erfahren, wie ihr Verhalten auf andere wirken kann bzw. wie es sich auf sie selbst auswirken könnte. Teilnehmende, die alle drei Phasen des E-Learnings aktiv durchlaufen hatten, konnten nachweislich ihr Präsentismusverhalten reduzieren.

Team- und Führungskultur ist zentral

Die Resultate des BFH-Projekts zeigten auf, dass die Team- und Führungskultur – also der Umgang mit Krankheit im Unternehmen – relevante Einflussfaktoren für Präsentismus sind. Eine unterstützende Unternehmenskultur ist entscheidend, um Präsentismus zu reduzieren. Vorgesetzte spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie eine offene Kommunikation fördern und ein Umfeld schaffen, in dem Gesundheit Priorität hat. Ein positives Vorbild kann dazu beitragen, die Stigmatisierung von Krankheit am Arbeitsplatz zu verringern. Ein solches Umfeld wird zusätzlich gestärkt, wenn die Teamdynamik auf gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Unterstützung basiert. Durch Betonung von Werten wie Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Fürsorge können Unternehmen eine Atmosphäre schaffen, in der Mitarbeitende ermutigt werden, ohne Angst vor negativen Konsequenzen auf ihre Gesundheit zu achten.

Die BFH-Studie zeigt das grosse Potenzial von Lebensstil-Interventionen, die an der Schnittstelle zwischen individuellem gesundheitsförderlichem Verhalten und betrieblichem Gesundheitsmanagement ansetzen. Solche Interventionen tragen nicht nur zur individuellen Gesundheitsförderung bei, sondern stärken auch das betriebliche Gesundheitsmanagement, indem sie die Gesamtkultur im Unternehmen positiv beeinflussen. 

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