Herausforderungen und Zukunftsperspektiven der Arbeitsintegration

16.08.2023 Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert und verlangt zunehmend nach gut ausgebildeten Fachkräften. Gleichzeitig haben die Anforderungen der Geldgeber zugenommen. Wie können sich die Anbieter von Integrationsmassnahmen in diesem Spannungsfeld behaupten? Der Leiter des Kompetenzzentrums Arbeit der Stadt Bern liefert Antworten.

Erich Zbinden, viele Fachpersonen sind der Meinung, dass es immer schwieriger wird, erwerbslose Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Sehen Sie das auch so?

Was man nebst der Digitalisierung, Technisierung, Globalisierung merkt: Die Belastung im Arbeitsmarkt ist gestiegen, die Anforderungen ebenfalls. Das stellt deutlich höhere Ansprüche an die Arbeitskräfte. Ein grosser Teil unserer Zielgruppe sind Personen, die von der Sozialhilfe leben: sehr viele sind fremdsprachig, haben oft einen tiefen Bildungsstand und nur wenige verfügen über einen Berufsabschluss. Ihnen fehlt oftmals die Fähigkeit, schnell neue Dinge zu lernen, sich auf neue Leute, neue Prozesse einzustellen und konstant dranzubleiben. Kurz gesagt: Was im ersten Arbeitsmarkt nachgefragt wird, «matcht» oft nicht mehr mit unseren Klient*innen.

Müsste die Wirtschaft mehr Verantwortung übernehmen und mehr Arbeitsplätze für wenig qualifizierte Personen anbieten?

Eine Idee ist, Unternehmen zu beraten, wie einfache Aufgaben sinnvoll zu einem Job zusammengeführt werden könnten. Wir alle haben Anteile bei unserer Arbeit, die nicht unsere Kompetenz benötigen. Und trotzdem fallen sie an. Im ersten Arbeitsmarkt wird zudem bereits einiges unternommen, um Menschen in den Betrieben zu halten. Diese Betriebe stellen nicht Personen aus der Arbeitsintegration an, sondern tragen zu ihren eigenen Leuten Sorge. Das ist eine präventive Bestrebung der Wirtschaft, die ich würdige.

Viele Anbieter von Integrationsmassnahmen beklagen sich, dass die Anforderungen der Finanzierer in den letzten Jahren gestiegen sind. Wie sehen Sie das?

Mit den Ausschreibungen kämpfen wir schon lange. Die Eingaben und das Reporting sind dabei echte Herausforderungen. Vor allem für Betriebe, die so gross sind wie das KA und als strategischer oder regionaler Partner alles unter einen Hut bringen müssen. Wir reporten bei den Finanzen und Leistungszielen für ein «Jobtimal» anders als für ein BIAS-Angebot, für ein Motivationssemester wiederum anders als für eine städtische Massnahme. Das ist ein nicht zu unterschätzender Aufwand. Auch ist die fehlende Planungssicherheit eine komplexe Herausforderung, denn ein Betrieb investiert immer viel in den Aufbau neuer Angebote.

Letztlich ist es die Metaebene, die mich sehr fasziniert: Der hohe Stellenwert von Arbeit in der Gesellschaft und im Leben jeder einzelnen Person.

Erich Zbinden Leiter Kompetenzzentrum Arbeit der Stadt Bern

Trotz dieser Herausforderungen arbeiten sie seit längerem im Bereich der Arbeitsintegration. Was fasziniert Sie an diesem Tätigkeitsgebiet?

Mithelfen zu können, Möglichkeiten für die Integration zu schaffen. Ich finde es toll, an diesen Prozessen beteiligt zu sein, den Leuten Chancen eröffnen. Das ist meine innere Motivation. Die Mischung aus Arbeit, Bildung, Coaching und Vermittlung im Kompetenzzentrum Arbeit gefällt mir. Wir haben hier alles: Betriebe, die Arbeitsmöglichkeiten geben, Coaches mit einer riesigen Bandbreite von Tools und Angeboten, professionelle Vermittlung. Und letztlich ist es die Metaebene, die mich sehr fasziniert: Der hohe Stellenwert von Arbeit in der Gesellschaft und im Leben jeder einzelnen Person.

Erich Zbinden
Erich Zbinden leitet seit August 2020 das Kompetenzzentrum Arbeit KA der Stadt Bern.

Weiterbildungen

Fachgebiet: Soziale Sicherheit, Institut Soziale Sicherheit und Sozialpolitik
Rubrik: Dienstleistungen, Weiterbildung