Kein Netzausbau trotz mehr Solarstrom: BFH-Forschende zeigen Lösungen

05.09.2023 Die zunehmende Anzahl an PV-Anlagen stellt für die Stabilität des Stromnetzes eine Herausforderung dar. Welche Lösungsansätze es anstelle eines kostspieligen Netzausbaus gibt, stellen Forschende des Labors für Photovoltaiksysteme der Berner Fachhochschule BFH in einem Diskussionspapier vor.

Die Energiestrategie 2050 der Schweiz setzt unter anderem auf den starken Ausbau der erneuerbaren Energien. Den Grossteil davon soll die Photovoltaik (PV) ausmachen. Die vorgesehene Leistung aller PV-Anlagen (rund 40-50 GW) würde das Stromnetz während Leistungsspitzen aber überlasten, weshalb oftmals von der Notwendigkeit eines Netzausbaus gesprochen wird. Ein Netzausbau ist jedoch kosten- und zeitaufwändig. Zudem löst er das Problem nicht, dass es zeitgleich zu Produktionsspitzen von PV-Anlagen in der Schweiz zu einem Überangebot von Solarstrom in ganz Europa kommt. Somit können die Leistungsspitzen vom Stromnetz nicht aufgenommen und voraussichtlich mangels Abnehmer auch nicht exportiert werden. Alternative Lösungsvorschläge, wie die Netzintegration von grossen Mengen Solarstrom auch ohne Netzausbau gelingen könnte, liefern Forschende des Labors für Photovoltaiksysteme der Berner Fachhochschule BFH in einem Diskussionspapier. Entstanden ist dieses im Rahmen des nationalen Forschungsprojekts SWEET EDGE. Das übergeordnete Ziel von SWEET EDGE ist es, die künftigen Energiesysteme für die Städte, das Mittelland und die alpinen Regionen zu modellieren und die damit einhergehenden Herausforderungen zu identifizieren und soweit möglich mit Handlungsempfehlungen zu beantworten.

Kein Netzausbau trotz mehr Solarstrom: BFH-Forschende zeigen Lösungen

Rahmenbedingungen müssen angepasst werden

In ihrem Diskussionspapier schreiben die Forschenden, dass ein Grossteil des Solarstroms in intelligenten, dezentralen Systemen aufgenommen werden könnte. Dazu gehören zum Beispiel Batteriespeicher oder Elektroautos. Entsprechende Produkte und Lösungen sind am Markt verfügbar und werden in verschiedenen Projekten seit vielen Jahren eingesetzt. Damit diese Systeme jedoch zuverlässig die Stromnetze entlasten bzw. einen PV-Zubau ohne zusätzliche übermässige Netzbelastung ermöglichen, müssen laut den Forschenden insbesondere zwei Rahmenbedingungen angepasst werden: So müsse erstens der absolute Einspeisevorrang von Solarstrom relativiert werden. Das heisst, es dürfe kein Recht geben, energetisch wenig relevante, aber für das Gesamtsystem herausfordernde und unwirtschaftliche Leistungsspitzen ins Netz einzuspeisen. Zweitens müssen Netzbetreiber und Regulator dezentrale, flexible Systeme erlauben und im Rahmen eines angemessenen Anreizsystems zu netzdienlichem Verhalten motivieren.

Umsetzung kann beginnen

Die Frage, wie der Netzanschluss von PV-Anlagen bei einem hohen Anteil von Solarstrom gelingt, betrifft verschiedene Stakeholder wie die Verteilnetzbetreiber und Installationsfirmen, aber auch Betreiber*innen von PV-Anlagen und die Politik. Das Diskussionspapier mit den möglichen Lösungsansätzen wurde Vertreter*innen aller Stakeholder vorgelegt, so dass deren Rückmeldungen einfliessen konnten. In einem nächsten Schritt holen die Forschenden der BFH und des ganzen SWEET EDGE-Konsortiums weitere Rückmeldungen aus den beteiligten Branchen ein. Sie wollen sich der Diskussion der Netzintegration stellen, weitere Erfahrungen und Best-Practice-Beispiele sammeln und damit eine überarbeitete, noch breiter abgestützte Version des Diskussionspapiers veröffentlichen. Zudem hoffen die Autoren des Diskussionspapiers, dass einzelne Ideen bereits jetzt übernommen und implementiert werden.

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