Wie künstliche Intelligenz in Texten nach Burnout fahndet

01.05.2024 Kann künstliche Intelligenz ein Burnout erkennen? Ein Forschungsteam der BFH entwickelt entsprechende Methoden für die Auswertung von Texten. Sie sollen Fachleute bei der Diagnose von Burnout unterstützen.

Arbeit stellt in unserer Gesellschaft ein wichtiger Faktor dar. Sie schafft die wirtschaftliche Grundlage für die Existenz vieler Menschen, gibt ihnen eine Struktur und ist sinnstiftend. Gleichzeitig verlangt die Arbeit durch die zunehmende Verdichtung und Vernetzung den Menschen immer mehr ab, teilweise ist sie zu einer Belastung geworden. Gemäss neusten Zahlen des Bundes klagen 30 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz über emotionale Erschöpfung. Vor zehn Jahren waren es noch knapp 24 Prozent. Überbeanspruchung und Dauerstress können in ein Burnout führen. Ein Forschungsteam der BFH will mit computergestützten Analysen mithelfen, Burnouts schneller zu erkennen. Im Interview erklärt Projektleiterin Mascha Kurpicz-Briki, wo sie mit ihrer Forschung zur Burnout-Diagnose steht:

Sie haben sich zum Ziel gesetzt, mit computergestützten Analysen von Texten zu erkennen, ob jemand ein Burnout hat. Wie kamen Sie auf die Idee?

Burnout hat sich in unserer Gesellschaft zu einem Problem entwickelt. Immer mehr Menschen stehen unter Stress und wenn sie diesen nicht mehr zu bewältigen vermögen, kann daraus ein Burnout entstehen. Ich habe mir die Frage gestellt, wie die sich in schnellen Schritten entwickelnde digitale Technologie wirkungsvoll zugunsten von Menschen eingesetzt werden kann, die ein Burnout erlitten haben.

Welchen Nutzen kann künstliche Intelligenz in der Diagnose von Burnouts bringen?

Als Methode zur Diagnose von Burnouts haben sich unter anderem Fragebögen etabliert, die mehrere Antwortmöglichkeiten zum Ankreuzen anbieten. Diese Tests funktionieren zwar gut, sie haben jedoch den Nachteil, dass Patient*innen das Ergebnis beeinflussen können, indem sie eine Frage nicht wahrheitsgetreu beantworten. Analysen von Antworten auf offen formulierte Fragen oder die Auswertung verschriftlichter Gespräche können die Genauigkeit einer Diagnose verbessern. Diese Verfahren sind für die Fachleute jedoch aufwändig und zeitintensiv. Hier kommen die neuen technologischen Möglichkeiten ins Spiel: Anwendungen von Computer-Linguistik vermögen solche Texte in Sekundenschnelle auszuwerten, also in den Antworten Muster zu erkennen, die typisch sind für eine Person, die von einem Burnout betroffen ist.

Können Sie kurz erklären, wie Computerlinguistik funktioniert?

Computerlinguistik oder Natural Language Processing, wie es auf Englisch heisst, ist in der Lage, Sprache oder Texte automatisch zu verarbeiten. Einerseits können die Programme bestimmte Informationen oder Strukturen aus grossen Textmengen oder umfangreichen Sprachaufzeichnungen herausziehen. Anderseits – und damit haben sie in jüngster Zeit Schlagzeilen gemacht ­– sind sie wie zum Beispiel ChatGPT in der Lage, Texte zu erschaffen. Die Anwendungen profitieren stark vom Prinzip des maschinellen Lernens, bei dem der Computer aus grossen Datenmengen von Beispielen lernt.

Anwendungen von künstlicher Intelliegenz können in Texten Muster erkennen, die typisch sind für eine Person mit Burnout.

Mascha Kurpicz-Briki
Mascha Kurpicz-Briki Projektleiterin BurnoutWords

Wie genau erkennt künstliche Intelligenz in Texten oder Gesprächen ein Burnout-Muster? Sucht das Programm nach bestimmten Worten oder Satzstellungen?

Wir probieren im Rahmen des Projekts verschiedene Technologien aus. Gerade Programme, die auf maschinellem Lernen basieren, funktionieren nicht einfach über einzelne Worte, sondern beziehen andere Aspekte wie zum Beispiel stilistische Elemente von Texten in die Analyse mit ein. Es braucht aber noch weitere Forschung, bis wir so weit sind, dass das System mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, ob die Person, die einen Text geschrieben hat, an einem Burnout leidet.

Können Menschen das System nicht täuschen, indem sie bewusst gewisse Aussagen machen oder auch bestimmte Worte vermeiden?

Bei den traditionellen Fragebögen ist es ein Leichtes, das Resultat zu verfälschen. So kann zum Beispiel auf die Frage, wie oft sich jemand niedergeschlagen fühlt, einfach «selten» anstatt «oft» angekreuzt werden. Auch bei maschinellen Systemen lassen sich Manipulationen nie ganz ausschliessen. Doch im Gegensatz zu den herkömmlichen Fragebögen wissen die Patient*innen nicht, nach welchen Anzeichen das Programm bei der Auswertung eines Textes sucht. Dadurch wird es deutlich schwieriger, das Ergebnis zu beeinflussen.

Wir wollen den Menschen durch die Technologie stärken und nicht ersetzen.

Mascha Kurpicz-Briki
Mascha Kurpicz-Briki Projektleiterin BurnoutWords

Werden Burnout-Diagnosen bald von Maschinen und nicht mehr von Menschen gestellt?

Nein, das wäre nicht zielführend. Wir wollen den Menschen durch die Technologie stärken und nicht ersetzen. Maschinelle Systeme sind Werkzeuge, die den Menschen unterstützen sollen. In unserem Fall wird dereinst weiterhin eine Fachperson die Diagnose stellen und dabei neben anderen Elementen wie zum Beispiel persönliche Gespräche auch auf die Ergebnisse von Computerlinguistik zurückgreifen können.

Lässt sich die künstliche Intelligenz auch für die Diagnose von psychischen Erkrankungen oder Demenz einsetzen?

Grundsätzlich ja. Wir haben ein anderes Projekt laufen, bei dem wir versuchen, mit maschineller Hilfe Essstörungen zu erkennen. Überall in der Psychologie, wo es um die Auswertung von Fragebögen, Texten oder Gesprächen geht, ist das Potenzial vorhanden, die Diagnosen durch technologische Anwendungen zu unterstützen und zu untermauern.

Was glauben Sie, wann werden computergesteuerte Analysen von Texten oder Gesprächen gängige Praxis sein, um Burnouts zu erkennen?

Es wird noch einige Zeit dauern. Die bisherigen Ergebnisse unserer Forschung sind zwar vielversprechend. Wir haben das System so weit trainieren können, dass es grundsätzlich in der Lage ist, zu unterscheiden, ob ein Text von einer Person mit Burnout stammt oder nicht. Es braucht aber weitere Validierungen der Methoden und auch der Ergebnisse. Zudem müssen wir mit klinischen Instituten klären, in welcher Form und in welchen Verfahren die Anwendungen zum Einsatz kommen könnten.

Im Weiteren braucht es Anpassungen an unterschiedlichen Sprachversionen. Wir können nicht ein Programm auf Englisch entwickeln und einfach auf Deutsch, Französisch sowie Italienisch übersetzen. Das genügt nicht. Wir müssen die Feinheiten, die besonderen Ausdrücke der einzelnen Sprachen berücksichtigen und auch die kulturellen Unterschiede, die sich teilweise in den Sprachen spiegeln.