GNU-Taler: das sichere Online-Bezahlsystem

09.02.2024 Datenschutz und Cybersicherheit sind in aller Munde. Und doch legen wir bei elektronischen Finanztransaktionen viele persönliche Daten offen, weil dies den Geschäftsbedingungen der Bezahlsysteme entspricht. Dies will GNU-Taler ändern – und wird nun im Rahmen eines «Horizon Europe»-Projekts auf die konkrete Markteinführung geprüft.

«Ein zentraler Aspekt zuerst: GNU-Taler ist keine Währung!», erklärt Andreas Habegger, Studiengangsleiter des Master of Science in Engineering an der BFH. «Es ist ein digitales Bezahlsystem – vergleichbar mit Twint – über das man mit bestehenden Währungen bezahlen kann.» Lanciert wurde GNU-Taler von den Entwicklern Christian Grothoff und Florian Dold. Grothoff ist seit 2016 Professor für Informatik an der Berner Fachhochschule, und das Projekt wird von einer Gruppe von Forschenden, Studierenden und FOSS-Entwickler*innen weiterentwickelt und an der BFH gehostet. Die beiden Urheber haben daneben die Firma Taler Systems SA gegründet, die ebenfalls am Projekt beteiligt ist. Auch Andreas Habegger und Emmanuel Benoist erforschen mit ihren Studierenden einzelne Aspekte davon. «GNU-Taler ist ideal für Forschung und Lehre», sagt Emmanuel Benoist, Professor für Informatik und Medizininformatik an der BFH. «Es ist für die Studierenden wertvoll, an einem realen Projekt mitarbeiten zu können: So lernen sie die neusten Standards des Programmierens an einem echten Fall mit grosser Sinnhaftigkeit.»

Politische Grundhaltung

Um Sinnhaftigkeit und politische Überzeugung ging es bei GNU-Taler von Anfang an. Seine Rede an einem «Netzpolitischen Abend» begann Begründer Christian Grothoff mit den Worten: «Bezahlen im Internet an den direkten Namen zu knüpfen, ist etwas vom Schlimmsten, das uns passiert.» Denn all unsere Daten würden gesammelt, gespeichert – und genutzt. Etwa für Werbezwecke oder im heikelsten Fall zur politischen Meinungsbildung. «Speziell in Kombination mit der Weiterentwicklung von KI ist das hochbrisant», erklärt Andreas Habegger. Deshalb baut GNU-Taler auf ein zentrales Prinzip: Bezahlen kann man anonym. Geld empfangen jedoch nicht. So können Betrugsversuche wie etwa Geldwäscherei oder Steuerhinterziehung konsequent verhindert werden. Dies spiegelt sich auch im Namen wider: «Taler» steht für «Taxable Anonymous Libre Economic Reserves», übersetzt «besteuerbare, anonyme und freie Wirtschaftsreserve». «GNU» steht für das unabhängige GNU-Projekt, das die Grundlage für viele freie Softwareprojekte bildet, so zum Beispiel Debian oder Ubuntu, eine GNU/Linux basierte Distribution.

Das Grundprinzip von GNU-Taler funktioniert so: Die Käufer*innen laden eine bestimmte Anzahl Einheiten einer Währung über einen Exchange wie eine Bank in ihren digitalen Geldbeutel (Wallet) (siehe Grafik). Dabei wird das E-Geld mit einem «blinden Siegel» versehen: Man sieht dem resultierenden Token bei der Bezahlung nicht mehr an, wem er gehört, sondern nur, dass er gültig ist. Für die Kryptographie werden etablierte mathematische Verfahren eingesetzt. Bei den Empfänger*innen ist stets ersichtlich, welcher Betrag eingegangen ist – so ist auch für die Steuerbehörde nachvollziehbar, wer wie viel Geld empfangen hat. «Das oberste Gebot bei der Entwicklung war zudem, dass das Ganze eine freie Software ist», erklärt Benoist. Im Grunde genommen könne jede*r den Code anpassen und Verbesserungen anbringen. So bleibt das gesamte Projekt unabhängig von technischen, finanzwirtschaftlichen und patentrechtlichen Monopolen. «Da die Codebasis von GNU-Taler offengelegt ist und nachvollziehbar bleibt, können problematische Funktionsweisen wie Tracking, Tracing oder Profiling leicht entdeckt werden», erläutert Benoist.

Ablaufdiagramm
Das Grundprinzip von GNU-Taler funktioniert über einen Exchange.

Schlagwort Nachhaltigkeit

Andreas Habegger liegt auch die Nachhaltigkeit am Herzen: Und zwar im ökologischen wie im sozialen Sinne. «Ganz grundsätzlich braucht ein digitales Bezahlsystem weniger Ressourcen als Bargeld», erklärt er. Bargeld müsse produziert, transportiert, unterhalten und wieder entsorgt werden. Im Vergleich zu anderen digitalen Bezahlsystemen sei GNU-Taler energieeffizient und ressourcenarm: Momentan können rund 60’000 Transaktionen pro Sekunde (TPS) abgewickelt werden. Bei Master sind es rund 5000, bei Visa 24’000 und bei einer Kryptowährung wie dem Bitcoin wesentlich weniger. Ein Schwerpunkt der Forschenden liegt momentan auf der Sozialverträglichkeit: Wie können etwa Kinder oder ältere Menschen das System bedienen, Menschen mit einer Sehschwäche oder einem anderen Handicap? «Unser System muss für alle nutzbar sein – dies ist ein Grundwert, den wir vertreten», betont Habegger.

In der Geschichte von GNU-Taler ist bereits einiges passiert: 2020 wurde an der BFH ein Snackautomat lanciert, mit dem das System im konkreten Alltag getestet werden kann. 2022 verfasste die Österreichische Zentralbank einen Bericht darüber, wie der digitale Euro mithilfe von GNU-Taler aussehen könnte. Ebenfalls 2022 hat der GLP-Nationalrat Jörg Mäder beim Bundesrat ein Postulat eingereicht, das die Prüfung einer möglichen Einführung des Systems verlangt – es wurde 2023 vom Nationalrat abgelehnt. Artikel, Talks, Foren: Mit diversen Kommunikationsmassnahmen ist das Team daran, GNU-Taler bekannter zu machen. Momentan reist Gründer Christian Grothoff im Rahmen eines Sabbaticals durch Asien und präsentiert das Projekt.

Horizont Europa

Doch der nächste grosse Coup steht in Europa bevor: Das Forschungs- und Innovationsförderprogramm «Horizon Europe» hat für die nächsten drei Jahre rund vier Millionen Euro gesprochen, um GNU-Taler zu untersuchen und eine Einführung zu prüfen. Daran beteiligt sind auch zwei Genossenschaftsbanken: die GLS Bank aus Deutschland und die MagnetBank aus Ungarn. «Wir sind selbst enorm gespannt, wo das Projekt in drei Jahren steht: Vielleicht bietet es dann in der Eurozone eine Möglichkeit, mit E-Geld zu bezahlen», so Habegger. «Doch: Wir als Forschende leisten unseren Beitrag mit technischen Lösungen. Eine sachliche, transparente und fachlich korrekte Diskussion über die Zukunft der Bezahlsysteme müssen wir als gesamte Gesellschaft führen.»

Autorin: Mia Hofmann, textatelier.ch

 

Anmerkung

 

Teilweise finanziert von der Europäischen Union im Rahmen des Projekts 101135475 - TALER. Die geäusserten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschliesslich die der zitierten Personen und spiegeln nicht notwendigerweise die der Europäischen Union wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können dafür verantwortlich gemacht werden.

Einkauf mit GNU-Taler am Automaten mit Mobile
Das Bezahlsystem GNU-Taler im Praxiseinsatz: Professor Emmanuel Benoist machts vor. (Foto: BFH)

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