Praxisausbildung Gesundheit – ein interprofessioneller Fachkurs für die kompetente Praxisbegleitung

09.06.2023 Die Praxismodule sind ein wichtiger Bestandteil aller Bachelor-Studiengänge der Gesundheitsberufe. Hebamme Sarina Ottersberg, Physiotherapeutin Rahel Schweri und Ernährungsberater Dennis Good absolvierten den Fachkurs Praxisausbildung Gesundheit, um die Studierenden optimal begleiten zu können.

Praxiserfahrung ist für die Bachelor-Studierenden wesentlich und aus der Ausbildung nicht wegzudenken. Die Rolle von Praxisausbildner*innen ist aus verschiedenen Gründen herausfordernd. «Die Studierenden sind sehr unterschiedlich, sei es vom Alter, von den Erfahrungen oder von der Grundausbildung her», sagt Ernährungsberater Dennis Good. «Ich muss herausfinden, wo die Studierenden stehen und wissen, wie ich sie abholen und unterstützen kann.»

Mit echten Beispielen arbeiten

Rahel Schweri war zum Kursbeginn ganz neu in der Rolle. «Ich wollte mich mit anderen austauschen und Werkzeuge kennenlernen, um das Lernen in der Praxis zu fördern», so die Physiotherapeutin. Ähnliches wünschte sich Hebamme Sarina Ottersberg vom Fachkurs: «Was ich mir erhoffte, waren Tipps und Tricks für die Gesprächsführung. Wie kann ich einen sinnvollen Rahmen bieten, wie kann ich Fördergespräche aufbauen und sie an die einzelnen Student*innen anpassen?»
Im Fachkurs wurden Beispiele der Teilnehmenden aus ihrer eigenen Erfahrung besprochen. Durch den Austausch erhielten die Absolvent*innen Inputs zu ihren Anliegen und zu weiterführenden Themen: «Manchmal war es auch einfach die Bestätigung, dass man auf dem richtigen Weg ist und vieles schon gut gemacht hat», so Ottersberg. Ein fester Bestandteil des Kurses sind praktische Übungen. «Kommunikative Themen haben wir oft in Kleingruppen geübt. Beim Thema Konfliktmanagement wurden zum Beispiel verschiedene Szenarien durchgespielt», erzählt Rahel Schweri.

«Ein ganz anderes Gefühl»

Der Fachkurs ist interprofessionell aufgebaut, sodass Ernährungsberater*innen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeut*innen und Hebammen sowie weitere Gesundheitsfachpersonen denselben Kurs absolvieren können. Eine Tatsache, welche die drei sehr geschätzt haben. «Ich fand die Interprofessionalität super. Das hat den Kurs besonders interessant gemacht und ich konnte Erfahrungen aus anderen Fachbereichen sammeln», sagt Dennis Good. Rahel Schweri ergänzt: «Für mich war es hilfreich, weitere Lehrmethoden aus anderen Bereichen kennenzulernen.» Dadurch hinterfrage man auch die eigenen Vorgehensweisen. Dennoch hat der fachinterne Austausch Platz: «Ich fand es wichtig, dass wir uns auch unter uns Hebammen austauschen konnten», erzählt Sarina Ottersberg.
Dass sich etwas an ihrer Praxisbegleitung verändert hat, bestätigen alle drei sofort. «Bereits bei der ersten Studentin, die ich nach dem Kurs betreute, hatte ich ein ganz anderes Gefühl», sagt Sarina Ottersberg. «Meine Gespräche mit den Studierenden sind jetzt viel strukturierter. Dies vor allem, weil ich mir das entsprechende Hintergrundwissen angeeignet habe.» Sie stellte auch fest, dass sie nicht immer gleich die Antworten liefern muss: «Meine Aufgabe ist es, die Studierenden darin zu unterstützen, die Antwort selbst zu finden.» Eine Aussage, die auch Dennis Good unterstreicht: «Die Reflexionsfähigkeit der Studierenden kann ich nun besser fördern. Ich unterstütze sie mit gezielten Fragen statt mit Lösungsvorschlägen.»

Fachkurs Praxisausbildung
Im Fachkurs Praxisausbildung Gesundheit werden verschiedene Szenarien praktisch geübt. Foto: Adobe Stock

Ein Gerüst geben

Sarina Ottersberg und auch Rahel Schweri heben das «Scaffolding» (Anm. Aus dem Englischen: «scaffold» -> Gerüst) hervor. Bei dieser Lehrmethode gehe es darum, eine Orientierung beziehungsweise ein Gerüst zur Unterstützung des Lernprozesses zu geben. Schweri erlebt ihre Begleitung viel systematischer: «In der Physiotherapie sind wir sowieso sehr strukturiert, wir haben Termine und Zeiten, die wir einhalten müssen. Ich plane die Betreuungszeit der Studierenden nun genau so konsequent wie die Behandlungen. Das hat sich als sehr wirksam erwiesen.» Sie bespricht sich mit den Studierenden, bevor diese die Patient*innen behandeln. «Wir stellen gemeinsam eine Arbeitshypothese auf, gehen mögliche Massnahmen durch und benennen auch, wo sie aufpassen müssen. Das Vertrauen wird dadurch auf allen Seiten erhöht.»

Auch Dennis Good sieht bei sich eine gezieltere Vorgehensweise. «Am Anfang wollte ich den Studierenden immer viel zu viel vermitteln. Bis ich zur Erkenntnis kam: Weniger ist oft mehr.» Seine Rückmeldungen seien nun spezifischer und die Studierenden bestimmen, welche Kompetenz im Fokus stehen soll. «Es geht darum, die Studierenden nicht zu überhäufen, sondern auch mal etwas zu wiederholen und in verschiedenen Settings anzuwenden.» Der Ernährungsberater stellte fest, dass die Studierenden während Beratungssituationen manchmal noch nicht so weit seien, vertieft zu reflektieren: «Erst im Nachhinein gelingt es ihnen, zu verknüpfen und zu begründen. Die Erkenntnis, zwischen dieser sogenannten On-Action- und In-Action-Reflektion zu unterscheiden, war für mich sehr wichtig», sagt Good.

Clinical Reasoning

Das Clinical Reasoning ist eines der zentralen Themen im Fachkurs. «Für mich geht es beim Clinical Reasoning vor allem darum, das klinische Verständnis der Studierenden zu fördern», sagt Dennis Good zur Anwendung. «Sie sollen nicht einfach nach Schema vorgehen, sondern hinterfragen, weshalb sie diese Intervention bei diesem Patienten vornehmen.» «Es geht um die Verbindung von Theorie und Praxis», ergänzt Sarina Ottersberg. Als Beispiel erzählt sie von einer Geburtsbegleitung, bei welcher der Geburtsfortschritt nicht so war, wie erhofft. «Gemeinsam mit der Studentin überlegten wir, was die Ursache sein könnte und welche Möglichkeiten wir haben. Auf diese Weise lernte sie, ihr theoretisches Wissen in diesem Moment abzurufen und anzuwenden.» Physiotherapeutin Rahel Schweri arbeitet mit wöchentlichen Sequenzen. Die Studierenden machen eine Patientenvorstellung, bei der sie die Symptome und Befunde beschreiben und überlegen, wie diese zusammenhängen. «Es geht darum, das Bewusstsein für die unterschiedlichen Situationen zu fördern. Für mich ist das Clinical Reasoning immer präsent. Sagt eine Studentin zum Beispiel ‹Ich behandle auf diese Weise›, frage ich konsequent nach der Begründung», berichtet Schweri aus ihren Erfahrungen.

Parat für die Studierenden

«Ich habe den Fachkurs bereits weiterempfohlen», sagt Good auf die Frage, für wen die Weiterbildung geeignet sei. «Ob man die Aufgabe gerade übernommen hat oder schon lange Studierende betreut: Die Themen Coaching, Führung und Kommunikation bringen alle weiter.» Dem schliesst sich Rahel Schweri an. «Es ist sicher gut, wenn man schon ein paar Beispiele aus der Praxis mitbringen kann. Ich habe einiges über mich selbst gelernt und meine Methoden überprüft.» Sarina Ottersberg findet, dass es keine Rolle spiele, zu welchem Zeitpunkt man den Fachkurs mache: «Für mich persönlich passte es, ihn gleich zu Beginn meiner neuen Funktion zu absolvieren», sagt Ottersberg. «So fühlte ich mich parat für die Studierenden. Da die Gruppe im Fachkurs aber durchmischt ist, können schlussendlich alle profitieren.» Abschliessend sagt die Hebamme: «Ich empfehle den Fachkurs allen, die mit Studierenden arbeiten, dies auch gerne tun und sie möglichst professionell begleiten möchten.»

Fachkurs Praxisausbildung Portraits
Sarina Ottersberg (links), Dennis Good (mitte) und Rahel Schweri (rechts) besuchten den Fachkurs Praxisausbildung Gesundheit. Fotos: zVg.
  • Rahel Schweri ist Physiotherapeutin BSc BFH und arbeitet im Hôpital Fribourgeois (HFR) in Tafers. Die Lernsituationen der Student*innen finden vor allem bei ambulanten und geriatrischen Patient*innen statt.
  • Sarina Ottersberg ist Hebamme BSc BFH, koordinierende Beleghebamme für die Geburtshilfe Frutigen (Spital fmi) sowie freiberufliche Hebamme (hebammeumeh.ch). Sie betreut die Studierenden in einem 1:1-System.
  • Dennis Good ist Ernährungsberater BSc BFH und Leiter der Ernährungsberatung in der Geriatrischen Klinik St. Gallen. Der Hauptfokus liegt auf der stationären Betreuung von geriatrischen Patient*innen.

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