Respiratorische Physiotherapie: Die Atmung verstehen und richtig entscheiden

03.04.2024 Die spezialisierte Atemphysiotherapie gewinnt in verschiedenen Settings und Fachgebieten zunehmend an Bedeutung. Claudia Barfuss arbeitet auf der Intensivstation und hat sich auf die respiratorische Physiotherapie spezialisiert. Im Interview erklärt sie, warum Clinical Reasoning auch in diesem Bereich zentral ist und warum sich der neue Fachkurs der BFH lohnt.

Auf einer Intensivstation stehen Physiotherapeut*innen täglich vor neuen Herausforderungen. Diesen zu begegnen erfordert eine sorgfältige, analytische und intuitive physiotherapeutische Arbeit: Die Therapie muss optimal dosiert sein, das heisst, sie muss auch darauf ausgerichtet sein, die begrenzten Ressourcen der Patient*innen zu schonen und zu schützen. «Die Atemphysiotherapie, auch bei invasiver und nicht-invasiver Beatmung, ist ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit», sagt Claudia Barfuss. Die Physiotherapeutin arbeitet seit über 30 Jahren auf den Intensivstationen des Universitätsspitals Zürich. «Bei dieser Arbeit wurde mir deutlich, wie wichtig das klinische Denken in der Atemphysiotherapie ist. Seither fasziniert mich die Komplexität dieses Arbeitsfeldes, und ich entdecke immer wieder neue Aspekte.»

In der Atemphysiotherapie ist der systematische und sorgfältige Denkprozess fundamental für die Wahl der geeigneten Massnahmen.

Claudia Barfuss
Claudia Barfuss Dozentin des Fachkurses Expertise Respiratorische Physiotherapie

Die Rolle des Clinical Reasoning in der Atemphysiotherapie

Am Arbeitsfeld gefällt Claudia Barfuss unter anderem die enge interprofessionelle Zusammenarbeit mit Pflegefachpersonen, Ärzt*innen und den Kolleg*innen der Ergo- und Dysphagietherapie. «Wir Therapeut*innen arbeiten grundsätzlich ohne direkte ärztliche Verordnung. Wir beziehen die verfügbaren Daten in unsere Entscheidungen und unser Clinical Reasoning mit ein», berichtet sie von der verantwortungsvollen Arbeit. «Bezogen auf die Atmung sind das zum Beispiel die arterielle Blutgasanalyse, ein aktuelles Röntgenbild, der Auskultationsbefund oder ein gezielt erhobenes Assessment.»

Claudia Barfuss ist es wichtig, dass die Physiotherapeut*innen auch in diesem Bereich eine gültige Fachsprache beherrschen und im interprofessionellen Setting sicher argumentieren können. «In der Atemphysiotherapie ist der systematische und sorgfältige Denkprozess fundamental für die Wahl der geeigneten medizinischen Massnahmen», sagt die Physiotherapeutin. Deshalb gibt sie ihr Wissen neu auch als Dozentin im Fachkurs Expertise Respiratorische Physiotherapie an der BFH weiter.

Die Teilnehmenden werden dazu motiviert, sich intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen, da sich dadurch auch die Behandlungsmöglichkeiten erweitern.

Claudia Barfuss
Claudia Barfuss Dozentin des Fachkurses Expertise Respiratorische Physiotherapie

Lunge und Atmung verstehen: Mit E-Learning und im Austausch mit Kursteilnehmenden

Der Fachkurs kombiniert Präsenzunterricht und E-Learning. «Das Format wurde aus einem physiotherapeutischen Bedarf heraus entwickelt. Es ist also von Fachpersonen für Fachpersonen konzipiert», erklärt die Dozentin. Durch das E-Learning ist es möglich, individuell, ortsunabhängig und im eigenen Tempo zu lernen. Moderierte Online-Tutoriate ermöglichen dabei den Austausch mit Fachexpert*innen. «Wir möchten vertieftes Wissen über die Atemphysiotherapie und ein Denk- und Handlungsmodell rund um die Formen der respiratorischen Insuffizienz vermitteln. Wir möchten zeigen, wie spannend die Physiologie und Pathophysiologie von Lunge und Atmung sind und wie wichtig ein fundiertes Verständnis für ein gezieltes praktischen Handeln ist», erklärt Claudia Barfuss. «Die Teilnehmenden werden dazu motiviert, sich intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen, da sich dadurch auch die Behandlungsmöglichkeiten erweitern». Der Kurs bietet zudem die Möglichkeit, therapeutische Ansätze kennenzulernen und zu erproben, Feedback von Fachexpert*innen zu erhalten und so das Handlungsrepertoire zu erweitern. «Ausserdem möchten wir auch Raum für die fachliche Diskussion unter den Teilnehmer*innen fördern», ergänzt Claudia Barfuss. Dazu finden während der Dauer des Kurses Peer-Lerngruppen statt, um aktuelle Themen und Fragen aus dem eigenen klinischen Alltag fortlaufend mit Kolleg*innen zu reflektieren.

Zur Person

Respiratorische Physiotherapie: Dozentin Claudia Barfuss
Physiotherapeutin und Dozentin Claudia Barfuss an einem ihrer Arbeitsplätze. Foto: USZ

Claudia Barfuss arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Physiotherapeutin auf den Intensivstationen des Universitätsspitals Zürich und hat sich auf die Atemphysiotherapie spezialisiert. In den letzten 7 Jahren hat sie zusätzlich den Fachbereich Respiratorische Physiotherapie am USZ aufgebaut. Dazu gehörte unter anderem auch die Entwicklung des E-Learnings «Expertise Respiratorische Physiotherapie» mit dem Ziel, dass in Institutionen nach gemeinsamen Grundlagen und standardisierten Vorgehensweisen in der Atemphysiotherapie gearbeitet werden kann.

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