Stromspeicher für die Energiewende

09.02.2024 Die nachhaltige und sichere Energieversorgung der Zukunft muss überschüssigen Sommerstrom im Winter nutzen können. Als saisonaler Stromspeicher bietet sich Wasserstoff an. Die BFH entwickelt Energiesysteme für die nach-fossile Ära und bildet die Fachleute aus, die sie einsetzen können.

Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, wie verletzlich die Energieversorgung Europas ist. Aus Russland floss plötzlich kaum noch Erdgas nach Westen, in Frankreich standen mehrere Kernkraftwerke still, und Deutschland nahm seine letzten vom Netz. Zum Blackout kam es dann doch nicht, und wer seine Heizrechnung bezahlen konnte, musste nicht frieren. Nun hängt es insbesondere vom Wetter ab, ob die Schweiz ihren Strombedarf auch in den kommenden Wintern decken kann – oder ob sie doch noch drastische Sparmassnahmen verfügen, auf die Wasserreserven zurückgreifen oder sogar ein mit Erdöl betriebenes Reservekraftwerk in Betrieb nehmen muss.

Grösser als die aktuellen dürften die zukünftigen Herausforderung einer sicheren Energieversorgung des Landes sein. Die Energiestrategie sieht vor, bis 2050 auf fossile Energien und Atomstrom weitgehend zu verzichten. Gleichzeitig wird der Strombedarf massiv wachsen, weil Autos zunehmend elektrisch angetrieben und Häuser mit Wärmepumpen geheizt werden. Die Lücke füllen soll Strom aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen (PV). Beim Windstrom wird die Schweiz auf das Ausland angewiesen sein, da das Potenzial im eigenen Land bescheiden ist. Solarstrom hingegen lässt sich auch im Inland in grossen Mengen produzieren. Das Problem: PV-Anlagen liefern nur Strom, wenn die Sonne scheint – an schönen Sommertagen mehr, als der Markt abnehmen kann, im Winter hingegen viel zu wenig.

Mit Wasserstoff Solarstrom jederzeit verfügbar machen

Photovoltaik kann die absehbare Stromlücke daher nur füllen, wenn es gelingt, Stromüberschüsse für Phasen der Stromknappheit zu speichern. Als Speicher für den kurzfristigen (Tag-Nacht-)Ausgleich dürften Autobatterien eine zunehmende Bedeutung erhalten. Um grosse Mengen Sommerstrom für kalte Winternächte verfügbar zu machen, braucht es andere Lösungen: neue Speicherkraftwerke, deren Bau aber häufig auf Widerstand stösst – oder die Speicherung in Form von Wasserstoff. Dabei wird Wasser mittels Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Der Wasserstoff lässt sich gasförmig oder in flüssiger Form (bei –253°C) aufbewahren und transportieren. Mit Hilfe einer Brennstoffzelle kann die im Wasserstoff gespeicherte Energie wieder in Strom und Wärme zurückverwandelt werden.

Lithium-Ionen-Akkus haben einen Wirkungsgrad von nahezu 100%, aber sie enthalten umweltschädliche Stoffe. Brennstoffzellen hingegen sind ökologisch unbedenklich, haben jedoch einen Wirkungsgrad von nur etwa 50 Prozent (der damit aber immer noch doppelt so hoch ist wie jener des Dieselmotors). Das liegt vor allem daran, dass die Elektrolyse viel Strom braucht. Solange dieser aus der sommerlichen Überschussproduktion von PV-Anlagen stammt, ist das akzeptierbar. Für Michael Höckel, Professor für Energietechnik an der BFH, steht daher fest: «Wenn wir für die Energiewende auf Solarstrom setzen, brauchen wir Wasserstoff als Speichermedium.»

Die BFH verfügt im Bereich der elektrochemischen Energiespeicher (Batterien, Wasserstoffsysteme) über langjährige Erfahrung. Schon vor 20 Jahren wurde ein mit Wasserstoff betriebenes Auto für Forschungs- und Testzwecke gebaut. Der Industriepartner CEKA entwickelte gemeinsam mit der BFH eine Brennstoffzelle, die in den Minibars der SBB-Tochterfirma Elvetino zum Einsatz kam. Derzeit beschäftigt sich das BFH-Labor für Wasserstoffsysteme intensiv mit Elektrolyseuren. So werden für Industriepartner Steuerungen entwickelt, Systeme optimiert und Testinfrastrukturen gebaut. Dabei geht es immer um die Entwicklung von marktfähigen Produkten.

Kompetenzen für die Energiesysteme der Zukunft vermitteln

Der Umgang mit der schwankenden Stromproduktion in Windkraft- und PV-Anlagen und den neuen Stromspeichern (Batterien, Wasserstoffsysteme) erfordert Kompetenzen, die im «Öl-Zeitalter» noch kaum gefragt waren. Der im April startende neue CAS «Nachhaltige Energiesysteme» der BFH vermittelt Grundlagenwissen zur nachhaltigen Energieerzeugung, Energiespeicherung und Energienutzung. «Es geht darum, die verschiedenen Systeme, ihre Einsatzgebiete sowie ihre Vor- und Nachteile kennenzulernen», präzisiert Michael Höckel. «Zudem lernt man, wie man Strategien entwickelt, mit denen nachhaltige Energiesysteme erfolgreich in einem Unternehmen oder einer Verwaltung eingeführt werden können.»

Das im Hinblick auf die Energiewende nötige Know-how ist also verfügbar, die Technik – Photovoltaik, Wasserstoffsysteme – ebenfalls. Weshalb geht der Ausstieg aus den fossilen Energien nicht schneller vonstatten? Michael Höckel warnt vor überzogenen Erwartungen und erinnert an die Hürden auf dem Weg in die Energiezukunft: «Wir haben noch viel zu wenig Strom aus erneuerbaren Energiequellen, um damit in grossem Stil Wasserstoff für den Winter zu produzieren. Es fehlt also an Wasserstoff aus nachhaltigen Quellen. Wenn sich das ändert, wird man Brennstoffzellen in grossen Stückzahlen herstellen. Dadurch werden die Kosten deutlich sinken – ähnlich wie in den letzten 20 Jahren bei der Photovoltaik.» Offen seien auch noch Fragen der Speicherung und des Transports von Wasserstoff in den zukünftig benötigten Mengen. Der Aufbau der dafür nötigen Infrastrukturen erfordert grosse Mittel. Solange Öl und Gas billig zur Verfügung stehen, sind Investor*innen zurückhaltend.

Pilotanlage für Wasserstoff «made in Biel»

Im Moment spielt sich im Bereich der Wasserstoffsysteme noch vieles auf der Ebene der Pilot- und Demonstrationsanlagen ab. Zu diesen gehört auch ein Projekt der BFH mit ihren Partnern BKW und Energieservice Biel/Bienne. Geplant ist ein Labor zur Herstellung von Wasserstoff mit Strom aus dem Wasserkraftwerk Bözingen. In diesem Labor wollen die Partner gemeinsam Forschungsprojekte lancieren. Möglicherweise werden mit dem dabei produzierten Wasserstoff mittels Brennstoffzellen im Winter Häuser mit Strom versorgt und beheizt.

Autor: Mike Sommer, textatelier.ch

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