Episode 11: «Zehn Prozent gehören zu LGBTIQ»

Ob Alter, Geschlecht oder sexuelle Orientierung – bunt gemischte Teams arbeiten produktiver zusammen und werden in Unternehmen immer öfter gefördert. BFH-Expertin Lena Scheidegger hat dies in einer Studie untersucht. In der aktuellen Podcast-Episode spricht sie mit dem Diversity-Verantwortlichen der Swisscom Stefan Gal darüber, welche Rolle geoutete Führungskräfte spielen und wie sich ein gelungenes Diversity & Inclusion-Management auswirkt.

An der Studie haben 53 Unternehmen teilgenommen. Eines davon ist die Swisscom. Stefan, du bist Co-Verantwortlicher für Diversity bei der Swisscom. Wie sieht euer D&I-Management aus? 

Stefan Gal: Unsere Diversity-Strategie haben wir vor drei Jahren erstellt und bei der Überarbeitung haben wir als erstes das Commitment der Konzernleitung und vom Verwaltungsrat eingeholt. Dabei haben wir einen hybriden Ansatz gewählt. Das heisst, wir haben gleichzeitig auch angefangen, interne Communities zu gründen. Seit zwei Jahren haben wir eine LGBTIQ-Community und vier weitere Communities, zum Beispiel Women's Empowerment, Young Voice Community. Es sind circa tausend Mitarbeitende in diesen Communities. 

Wie viele von den befragten Unternehmen haben auch eine solche Community wie die Swisscom? 

Lena Scheidegger: Das setzen noch nicht viele Unternehmen um, aber heute sind es sicherlich mehr als noch im Jahr 2017. Immerhin haben schon viele Unternehmen davon gehört, machen aber zunächst Sensibilisierungsschulungen. Communities aufzubauen ist mit Aufwand verbunden, sie sind eine Grundlage, um den Mitarbeitenden zu signalisieren: Wir kümmern uns um das Thema, wir nehmen es ernst, hier findet ihr Gleichgesinnte. 

Stefan Gal: Besonders wichtig sind Fahnenträger: Leute die das Thema im Unternehmen aktiv voran bringen. Wir sind ein fünfköpfiges Team mit einem Anteil von circa 150 Stellenprozent.  

Damit sendet ihr ein starkes Signal an die Belegschaft, wenn sie weiss, es wird mit Struktur und Stellenprozenten unterstützt. Damit zeigt ihr, dass es der Swisscom ernst ist und keine Eintagsfliege. 

Stefan Gal: Ja, genau. Zudem haben wir den Ansatz gewählt, dass die Mitglieder in unserem Diversity-Team Mitarbeitende aus der Linie sind. Das heisst, sie sind einerseits in ihren Abteilungen verankert, arbeiten aber auch noch zu einem bestimmten Prozentanteil für Diversity. Dieses Setup hat sich bewährt, weil man viel näher an den Leuten dran ist.  

Lena Scheidegger: Das ist bei der Swisscom wirklich ein Ausnahme-Setup. Bei anderen Unternehmen ist D & I-Management hauptsächlich beim HR angegliedert. Die Swisscom ist fast das einzige Beispiel, das ich kenne. 

Diverses Team

Es gab in der Studie auch Unternehmen, kein explizites Konzept haben, aber angegeben haben, es sei für sie völlig klar, dass sie diese Werte teilen. Warum reicht so ein grundsätzliches Commitment nicht aus? 

Lena Scheidegger: Tatsächlich sagen viele Unternehmen: «Bei uns sind alle gleichgestellt, wir machen keine Unterschiede zwischen Gruppen.» Doch möchte ich betonen, dass allein Akzeptanz noch keine proaktive Inklusion ist. Es ist schön, wenn alle akzeptiert werden, aber oft werden Feinheiten oder implizite Diskriminierungen übersehen. Nehmen wir das Beispiel mit den geouteten Führungskräften, genau bei solchen Unternehmen, die sagen, wir akzeptieren alle. Man fragt dann nach: Gibt es bei euch geoutete Personen oder Führungskräfte? Die Antwort ist oft: Nein, mir kommt niemand in den Sinn. Was ein Zeichen dafür ist, dass es so offen sein kann. 

Weil man sich nicht traut. 

Lena Scheidegger: Ja, weil man sich nicht traut. Aber wenn man sich überlegt, zehn Prozent der Bevölkerung gehören zu LGBTIQ, kann es fast nicht sein, dass in einem grossen Unternehmen niemand geoutet ist oder niemand sich damit identifiziert. 

Stefan Gal: Wir müssen uns diese Anzahl vor Augen führen: Swisscom hat 16’000 Mitarbeitende, zehn Prozent davon sind 1’600 Personen, die mit diesen Buchstaben gemeint sind. Da ist es absolut legitim, dass man ihnen eine Plattform gibt. Es genügt nicht, wenn man sagt: wir sind inklusiv. 

Deshalb ist es auch wichtig, dass Wissen vermittelt wird. In der Studie empfiehlst du Workshops und Weiterbildungen. 

Lena Scheidegger: Ja, zum Beispiel bieten externe Fachpersonen Trainings an u.a. zu unbewussten Vorurteilen. In einigen Unternehmen ist es wichtig, die Thematik grundsätzlich aufzugreifen und zu erläutern, was LGBTIQ bedeutet. Dann wird meist offensichtlich, dass viele Leute nicht wirklich sensibilisiert sind.  

Stefan Gal: Wir alle haben unbewusste Vorurteile. Das ist für mich eines der zentralen Themen. Unbewussten Vorurteile spielen eine unglaublich grosse Rolle. Das beginnt bereits bei der Stellenausschreibung und beim Recruiting. Deshalb haben wir E-Learnings, Kampagnen und verpflichtende Ausbildungen, um das Thema bewusst zu machen.  

Haben die Schulungen schon einen Effekt erzielt? 

Stefan Gal: Ja. Das können wir auch messen. Wir haben den IAT, den Implicit Association Test von Harvard genutzt. Dieser ermittelt, inwiefern man unbewusste Vorurteile hat. Wir haben gesehen, dass sehr viele Leute den gemacht haben und das Thema an Bereichsmeetings präsentiert. Früher wurde in den Meetings nicht über Diversity gesprochen, heute geht es um so vielfältige Fragen wie Nachfolgeplanung, Babyboomer, Pensionierungen und Frauen im Kader. Wir sagen immer, wir haben dann einen guten Job gemacht, wenn es uns nicht mehr braucht. Wenn es ein Selbstläufer ist und in diese Richtung geht es bei uns. Wir sind noch lange nicht am Ziel, das wäre auch eine falsche Aussage, aber die Richtung stimmt für uns. 

Dies ist eine gekürzte Fassung, hören Sie hier die ganze Episode. 

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