Transportkosten belasten Dialyse-Patient*innen

14.03.2024 Dialyse-Patient*innen erhalten von der Grundversicherung maximal 500 Franken jährlich für den Transport zur lebensnotwendigen Dialyse-Behandlung. Das ist nicht genug, findet die Schweizerische Nierenstiftung, und fordert von den Behörden eine Veränderung. Um erstmalig konkrete Zahlen für die Schweiz zu erfassen, hat sie die BFH mit einer Umfrage beauftragt. Die Ergebnisse liegen nun vor und zeigen: Durchschnittlich wenden die Dialyse-Patient*innen im Schnitt 5000 Franken jährlich für den Transport auf.

Nieren sind lebensnotwendig. Unter anderem entgiften sie und regulieren den Salz- und Wasserhaushalt im Körper. Funktionieren sie nicht mehr richtig, muss die Nierenfunktion anders erfolgen, beispielsweise über eine Nierentransplantation oder – wenn dies nicht möglich ist – durch eine Dialyse (Bauchfelldialyse oder Hämodialyse). Bei der Hämodialyse wird das Blut ausserhalb des Körpers gereinigt und in den Körper zurückgeführt. In der Regel passiert dies in einem Dialysezentrum. Die Berner Fachhochschule hat mittels einer Online-Befragung erstmals Daten zum Transport von Dialysepatient*innen in der Schweiz erhoben, an der rund 10 Prozent der dialysepflichtigen Menschen der Schweiz teilgenommen haben.  

Der Weg zum Dialysezentrum

In der Schweiz sind rund 4'200 Menschen auf eine Hämodialyse angewiesen, eine davon ist Eliana Aebischer. «Eine Dialyse tut nicht weh, sie braucht aber viel Zeit und macht müde», erklärt sie. Die Blutwäsche dauert vier Stunden und muss in der Regel dreimal pro Woche wiederholt werden.
In der Schweiz sind die Fahrten für die Dialyse nicht standardmässig organisiert oder geregelt. Eliana Aebischer fährt mit dem Auto zum Dialysezentrum im Spital, andere nutzen das Taxi, viele kommen mit lokal und oftmals von Freiwilligen organisierten Transportmitteln. Gerade ältere Menschen, die von mehreren Krankheiten betroffen sind und in Heimen leben, sind auf begleitete Transportunternehmen angewiesen.
Die Ergebnisse der BFH-Umfrage zeigen, dass Dialysepatient*innen im Schnitt rund 12 Kilometer zurücklegen, um ihr Dialysezentrum zu erreichen, wobei Extremwerte über 60 Kilometer betragen. Dies entspricht einer durchschnittlichen Transportzeit von etwa 30 Minuten, für einige dauert die Hin- und Rückreise aber mehr als eine Stunde. Die Studienergebnisse zeigen, dass rund 50 Prozent mit dem Auto, 35 Prozent mit Patiententransportmitteln und 12 Prozent mit dem öffentlichen Verkehr reisen. 4 Prozent gelangen mit dem Fahrrad oder zu Fuss ins Dialysezentrum.
 

Genutzte Transportmittel

Genutzte Transportmittel zur Hämodialyse: Rund 50 Prozent der Patient*innen reisen mit dem Auto zur Behandlung.
Rund 50 Prozent der Patient*innen reisen mit dem Auto zur Behandlung.

Die Kosten für den Transport

Für die Transportkosten müssen die Patient*innen zu einem Grossteil selbst aufkommen – anders als beispielsweise in Deutschland, Österreich oder Frankreich, wo die Krankenkassenversicherung die Kosten übernehmen. Die Grundversicherung in der Schweiz deckt maximal 500 Franken der Transportkosten pro Jahr ab. «Für die Patient*innen ist dies eine belastende Situation», erklärt Prof. Dr. med. Olivier Bonny, Abteilungschefarzt Nephrologie am Kantonsspital in Fribourg. «Die Betroffenen werden doppelt bestraft. Sie müssen sich zum einen einer schweren Behandlung unterziehen, um zu überleben, und zum anderen ihre Reisen grösstenteils aus eigener Tasche bezahlen – und dies über sehr lange Zeiträume», sagt er. Bonny ist Stiftungsratsmitglied der Schweizerischen Nierenstiftung, welche die Studie in Auftrag gegeben hat. 

Gemäss BFH-Studie liegen die durchschnittlichen Transportkosten pro Jahr und pro Patient bei rund 5000 Franken. «Wenn die zu behandelnde Person einen Spezialtransport in Anspruch nehmen muss, belaufen sich die Kosten auf etwa 10'000 Franken pro Jahr», führt Bonny aus. Etwa 30 Prozent der Patient*innen erhielten gemäss BFH-Studie eine finanzielle Unterstützung, zumeist handelte es sich dabei um die 500 Franken der Grundversicherung. Die Kosten werden von etwa der Hälfte der Betroffenen als belastend oder einschränkend empfunden. Die Befragung ergab auch, dass nur 50 Prozent der Patient*innen zu Beginn der Behandlung Informationen zu den Transportkosten für die Dialyse erhielten und 36 Prozent diese zu diesem Zeitpunkt gerne gehabt hätten. «Die Kosten sind schwer vorhersehbar und das ist gerade für sozial benachteiligte Patient*innen problematisch», macht Bonny deutlich.
 

Zurückgelegte Distanzen und Kosten

Zurückgelegte Distanzen und Kosten: Im Schnitt legen Dialyse-Patient*Innen rund 12 Kilometer zurück, um zum Dialyse-Zentrum zu gelangen und wenden  jährlich 5000 Franken für den Transport auf.
Im Schnitt legen Dialyse-Patient*Innen rund 12 Kilometer zurück, um zum Dialyse-Zentrum zu gelangen und wenden jährlich 5000 Franken für den Transport auf. (Grafik: BFH)

Informationen für Betroffene und mehr Unterstützung seitens Behörden

Ein Beratungsgremium (Sounding Board) bestehend aus Dialyse-Patient*innen, Angehörigen, Gesundheitsfachpersonen und Forschenden begleitete die verschiedenen Phasen des Projekts. So floss die Sicht der Betroffenen bereits bei der Fragestellung mit ein. Sie half, die Ergebnisse zu interpretieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Eine Empfehlung der Studie ist, eine Anlaufstelle zu schaffen, bei der sich die Betroffenen informieren können. «Ein Beratungsangebot zu Transport- und Unterstützungsmöglichkeiten seitens Dialysezentren wäre wünschenswert», sagt Prof. Dr. Olivier Bonny. Auch auf politischer Ebene erhofft er sich nun eine Veränderung: «Wir hoffen, dass wir mit diesen konkreten Zahlen den Behörden die Augen für die Probleme der Transportkosten für Hämodialyse-Patient*innen öffnen können und dass sie ihnen eine Lösung anbieten, um ungedeckte Kosten auszugleichen», sagt er. 

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