Wie Gesundheitsfachpersonen psychisch gesund bleiben

22.11.2023 Um mit der Not ihrer Patient*innen und Angehörigen umzugehen, ohne selbst negative psychische Folgen zu erleiden, brauchen die Gesundheitsfachpersonen Resilienz. Warum sie wichtig ist und wie sie diese entwickeln können, erklärt Karin McEvoy im Interview.

Resilienz Gesundheitsfachpersonen

Karin McEvoy, warum brauchen Gesundheitsfachpersonen Resilienz?

Resilienz ist die Fähigkeit, widerstandsfähig gegenüber Belastungen zu sein und gestärkt aus schwierigen Situationen hervorzugehen. Resiliente Gesundheitsfachpersonen sind somit in der Lage, sich an Veränderungen anzupassen, Stress zu bewältigen und ihre psychische Gesundheit aufrechtzuerhalten. Wenn ich mir meiner psychischen Disposition bewusst bin, kann ich aktiv damit arbeiten, um resilient zu bleiben. Viele Fachpersonen sind sensibel und reagieren feinfühlig auf die Emotionen anderer Menschen, was eine wichtige Kompetenz der Genesungsbegleitung ist. Wenn die Fachperson aufgrund fehlender Resilienz bereits den Grossteil ihrer mentalen Ressourcen für die eigene Emotionsregulation einsetzt, bleibt am Ende wenig für die Genesungsbegleitung der Patient*innen übrig. 

Sie empfehlen den Gesundheitsfachpersonen Kurse für die Persönlichkeitsentwicklung, um Resilienz zu entwickeln. Warum?

Mit bewusster Wahrnehmung und geeigneten Techniken kann das genannte Szenario verhindert und die Stärke der Empfindsamkeit ausgeschöpft werden. Wenn die Gesundheitsfachperson selbst Traumata erlebt hat, ohne sich dessen bewusst zu sein, wendet sie viel Energie dafür auf, die traumatischen Erlebnisse zu verdrängen. So ist es schwierig, in Verbindung mit den Patient*innen und Mitarbeitenden zu sein. Die Unterdrückung der Emotionen erschwert auch die berufliche Rollenentwicklung, die Qualität der Arbeit leidet.

Warum sollten sich insbesondere Pflegefachpersonen der Psychiatrie mit ihrer eigenen psychischen Disposition befassen? 

Die psychiatrische Pflege ist in hohem Masse von Beziehungsarbeit geprägt. Auch im somatischen Bereich machen die «technischen» Arbeiten nicht den grössten Teil aus. Es geht vielmehr um die wiederholte Einschätzung des Gesundheitszustandes und der Bedürfnisse der Patient*innen. Tritt die Fachperson mit den Patient*innen in eine Beziehung, nimmt sie diese besser wahr. Noch besser gelingt ihr das, wenn sie selbst in einem entspannten Zustand und in Verbindung mit den eigenen Bedürfnissen ist.

Resiliente Gesundheitsfachpersonen sind in der Lage, sich an Veränderungen anzupassen, Stress zu bewältigen und ihre psychische Gesundheit aufrechtzuerhalten.

Karin McEvoy Studienleiterin in der Weiterbildung

Die BFH bietet Weiterbildungen für die Persönlichkeitsentwicklung an. Wie fallen die Reaktionen der Teilnehmenden aus?

Wir erhalten viele positive Rückmeldungen. Eine Studentin, die den Fachkurs «Mindfulness – Achtsamkeit als Selbstmanagementstrategie» besucht hat, konnte in ihrer Funktion als Pflegeexpertin in der Anästhesie stark vom Thema Co-Regulation profitieren. Viele Teilnehmende berichten, dass sie durch den Besuch der Weiterbildung empathischer auf ihre Patient*innen und Mitarbeitenden eingehen, die Beziehungsqualität optimieren und eine bessere Pflege anbieten können.

Wird die Persönlichkeitsentwicklung auch auf Führungsebene als Erfolgsfaktor wahrgenommen?

Gesundheitsfachpersonen erwerben in ihrem Studium viel Fachwissen. Sie stellen auch fest, dass als Führungsperson zusätzliche Fähigkeiten gefordert sind, die nur im Ansatz in ihrer Ausbildung thematisiert oder zu diesem Zeitpunkt verstanden worden sind. Hier schliessen wir mit unseren Managementweiterbildungen in Persönlichkeitsentwicklung und Leadership, teilweise in Kooperation mit H+ und dem Departement Soziale Arbeit, eine Lücke. 

Gerade Führungspersonen sind aufgrund des Fachkräftemangels daran interessiert, ihre Mitarbeitenden langfristig im Job zu halten. Das ist einfacher, wenn die Mitarbeitenden psychisch gesund und belastbar bleiben. Es gibt Führungspersonen, die ihren Mitarbeitenden deshalb Weiterbildungen ermöglichen, um deren Resilienz zu erhöhen, was sich wiederum positiv auf das Team auswirken kann. Als Führungsperson ist es ebenso wichtig, an der eigenen Resilienz zu arbeiten, sich selbst besser kennenzulernen, um bewusster auf Umweltfaktoren zu reagieren und kompetent als Leaderin aufzutreten. Wir bieten ebenfalls individualisierte Team- oder Institutionsweiterbildungen vor Ort an und reagieren damit auf den Bedarf nach konzentriertem Ressourceneinsatz ohne lange Reisezeiten oder fachliche Redundanzen, welche im Betrieb bereits etabliert sind.

Weiterbildungsempfehlungen zur Persönlichkeitsentwicklung

Weiterbildungsempfehlung zur Persönlichkeitsentwicklung

CAS Akut- und Notfallsituationen

«Hier lernen Sie, Patient*innen nach traumatischen Unfallsituationen zu begleiten und eine Anamnese in hektischen Situationen durchzuführen. Sie entwickeln praktische Techniken im Umgang mit Stress und Krisen.»

Fachkurs Leadership bei Aggression und Gewalt

«Führungspersonen lernen, wie sie Aggression und Gewalt in ihrem Alltag begegnen können und üben, kompetent zu kommunizieren.» 

Fachkurs Mindfulness – Achtsamkeit als Selbstmanagementstrategie

«Die Studierenden erlernen Strategien, um in anspruchsvollen Situationen ihre mentale Souveränität beizubehalten. Weiter können sie nach dem Kurs Drittpersonen zur Achtsamkeit anleiten.»

Fachkurs Führen und geführt werden – erlebt und gelebt

«In diesem praktischen Leadershiptraining steht die unmittelbare und haptische Erfahrung des Führens und Geführtwerdens im Mittelpunkt. Die Teilnehmenden erleben mehrdimensional Führung mit Selbsterfahrung anhand von Pferdekontakt und Chorsingen und verbinden dies mit der persönlichen Erfahrungswelt.»

Weiterbildungen Führung und Management im Gesundheitswesen

«Wir bieten ein vielfältiges und praxisorientiertes Angebot an bis hin zum MAS Integrative Führung im Gesundheits- und Sozialwesen.» 

Interview: Isabelle Stupnicki

Zur Person: Karin McEvoy

Karin McEvoy
Karin McEvoy ist Studienleiterin in der Weiterbildung am Departement Gesundheit und begeistert sich für individuelle Entwicklungsprozesse von Einzelpersonen, Teams und Organisationen.

Mental Health im Fokus

Die Pflege unserer psychischen Gesundheit ist ein immer wichtigeres Thema in unserer Gesellschaft. Deshalb veröffentlichen wir an dieser Stelle eine Reihe von Beiträgen zu Mental Health und Wohlbefinden. Das Symposium «Fokus Gesundheit» mit ausgewiesenen Fachexpert*innen schliesst den Themenschwerpunkt ab.

Mehr erfahren